Mit den Kreuzzügen, die die Papstmacht noch mehr stärkten, be-
gann, neben der kirchlichen, eine höfisch-ritterliche Kultur. In ihr,
deren Blütezeit zwischen 1150 und 1230 liegt, wurzelt das Helden-
epos und das Minnelied, aber auch die volkstümliche Spielmanns-
dichtung, die der lateinischen Kunstsprache eine deutsche Volks-
sprache zur Seite stellte. „Frau Welt‘ wurde besungen. Dieses alles
blieb nicht ohne Einfluß auf die bildenden Künste. Das mächtig
schwellende Lebensgefühl ergriff auch die Baumeister.
In dem Willen, dem Christentum monumentale Denkmale zu
bauen, begegneten sich, ungeachtet allen Rangstreites und aller un-
terirdisch noch wirkenden Zweifel, Kaiser und Kirche, Mönch und
Ritter, Dieser Wille hat die Kaiserdome geschaffen, den Stolz unse-
rer Baukunst, Beweise für die Gemeinsamkeit der Bauinteressen sind
die Fürstengräber neben der Domkrypta in Speyer, sind die Fürsten-
standbilder, die vor oder in den Domen vielfach errichtet wurden.
Kirche und Kaisertum gaben sich — entgegen den Bestrebungen der
puritanischer gesinnten Orden — der Lust am Kolossalen und Re-
präsentativen hin. In der Monumentalplastik der ersten Jahrzehnte
des 13. Jahrhunderts, dem Höchsten, was deutsche Skulptur je her-
vorgebracht hat, in den Gestalten der Naumburger Fürsten, in den
steinernen Symbolen des Straßburger Münsters, in dem kaiserlichen
Reiter und in den Prophetenfiguren des Bamberger Doms, in den
Portalskulpturen der Freiberger „Goldenen Pforte‘, in den Plasti-
ken von Wechselburg, Magdeburg, Halberstadt usw., die alle nicht
eben dem Format nach übergroß sind, dafür aber die innere Größe
haben, ist das ritterliche Element mit Händen zu greifen. Es ist Stein
gewordenes Heldenepos; der Steinmetz ist auch zum Minnesänger
geworden. In den Bauwerken ist dieser Geist nicht so überzeugend
nachzuweisen, weil die Baukunst gegenstandslos ist; er ist nichts-
destoweniger ebenso wirklich vorhanden. Der geistliche Baumeister
nimmt Züge des Ritterlichen an; sein ursprünglich metaphysisch ge-
richteter Heroismus wendet sich ins Weltliche. Und diese Synthese
von Sakralem und Weltlichem hat Formen geschaffen, die die Nach-
geborenen immer wieder hinreißen. Noch anschaulicher wird end-
lich die Verbindung des Geistlichen mit dem Ritterlichen in den
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