Langhaus, Querschiff und Chorapsis errichteter, vieltürmiger ro-
manischer Basilikabau ist gewiß etwas ganz anderes als eine antike
Basilika oder gar als ein antiker Zentralbau; dennoch ist, über allen
Gestaltwandel hinweg, etwas unverkennbar Lateinisches geblieben.
Vor allem im Innern. Es ist auch nicht verwunderlich angesichts
des Umstandes, daß die Bauherren durchweg Geistliche waren, die
im Papst ihren Oberherren sahen. Römische Tradition mußte sich
erhalten, und sei esim Unwägbaren. Nach derselben Richtung wirkte
das Deutsch-Römertum der Kaisermacht bis zum Tode Friedrichs
des Zweiten. So betrachtet, erscheint die deutsche Romanik als
ein zwar phantasievoll freier und eigener, doch auch alsein organisch
durch Selektion entstandener Stil. Dem widerspricht es nicht, daß
im Anfang des 13. Jahrhunderts die der Baukunst eng verbundenen
Monumentalskulpturen entstanden sind, die zum Besten dessen ge-
hören, was der Genius der europäischen Kunst geschaffen hat, die
das absolut Beste sind, was dem deutschen Bildhauertalent jemals
gelungen ist. Denn auch sie sind unverkennbar der Antike ver-
pflichtet. Höchste Leistungen der Malerei und Skulptur wachsen
überhaupt gern auf dem Boden einer abgeleiteten Baukunst. Die
Meisterwerke der großen italienischen Skulptur beweisen es ebenso
unzweideutig, wie die Meisterwerke der spanischen und holländi-
schen Malerei; sie beweisen es sogar viel drastischer. Auch suchen
sehr große Begabungen gern die Grenzscheiden der Stile auf. Da-
für zeugen Maler wie Dürer, Grünewald und ihre Zeitgenossen: sie
alle waren zugleich Gotiker und Menschen einer italienisch be-
stimmten Renaissance, Diese Tatsachen sind nicht rätselhaft, wie
es dem ersten Blick erscheinen mag. Um sich selbständig genial
zu entfalten, bedürfen bedeutende Maler und Bildhauer eines gro-
ßen Maßes von Freiheit. Diese Freiheit finden sie dort, wo die Mut-
terkunst, die Baukunst, nicht autokratisch regiert und alle Künste
in den Dienst eines architektonischen Gesamtkunstwerkes zwingt.
Alle Künste können nicht zugleich dominieren. Wo die Baukunst
es tut, da müssen Skulptur und Malerei sich deren Stilgedanken
fügen und ihr dienen; wo Malerei und Skulptur — die Reihen-
folge wird hier nicht ohne Grund geändert — vorherrschen, da muß
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