wenn er sich frei macht von solchen Formen, die vor Erfüllung des Bau-
programms fertig aufsteigen, die Ausgangspunkt für Entwurf und Kon-
struktion statt Folge sein wollen. Die hochentwickelte Bearbeitungstechnik
und ihre amorphen Baustoffe, Gußeisen, Gußstahl, Gußbeton, Gußglas,
lassen schließlich jede Form zu. Der Willkür wäre Tür und Tor geöffnet.
Bestand haben können in einem technischen Zeitalter nur Formen, deren
Zwangsläufigkeit durch Material, Bearbeitungsart und Funktion begründet
sind und die daraus zu einem gelenkten Erlebniswert aufsteigen.
Die grundsätzlichen Überlegungen über die spezifischen Gestaltungs-
prinzipien und über die Wesensmerkmale der Architektur beherrschen zu-
tiefst das Schaffen der Baumeister und werden ihnen Leitmotiv. Das Schöp-
fen aus dem Vollen, das intuitive Schaffen aus dem dunklen Drange dürfte
selten sein.
Das Bauen beginnt beim Notwendigen und endet nach vielen Umwegen
durch die Vorhöfe der Kunst beim Schönen und Beglückenden. Die Wege
zu verfolgen bieten sich viele Standpunkte an, die Voraussetzungen des
Bauens, die Vollendung, das Werk als Erscheinung und als Denkobjekt, der
Bauende als historische Persönlichkeit, als Glied einer Gemeinschaft, als
Beauftragter und als Meister am Werk. »Aber das Glückliche siehest du
nicht, das Schöne nicht werden.« Viele Lücken müssen bleiben.
Ein jeder zieht durch die Vergangenheit wie ein Ährensammler über das
Stoppelfeld. Aus der einst reichen, inzwischen abgeernteten Vergangenheit
kann er nur auflesen, was ihm für seinen Feldstrich und seine Zeitspanne
zurückgelassen. So zeigen sich dem einen die deutschen Baumeister inmit-
ten überpersönlicher Bindungen, dem anderen als Baumeister, die in der
Poesie der Konstruktion, der Baumassen und des Raumes leben.
HANS ROGGENKAMP