Full text: Deutsche Baumeister als Beauftragte ihrer Zeit

Weltkirche. Auch hier zeigte sich, daß gute oder schlechte, begabte oder 
einfältige Herrscher wohl unendlich viel Gutes oder Böses tun, daß sie die 
Entwicklung beschleunigen oder verlangsamen, triumphierend oder schlei- 
chend gestalten können, daß sie die Impulse der Zeit aber nicht schaffen 
können oder zu ändern vermögen. Einige Kaiser dieser Jahrhunderte er- 
scheinen mit einer Gloriole, als hätten sie allein alles getan; andern ist 
von der Nachwelt vorgerechnet worden, inwiefern sie es versehen haben. 
In Wahrheit ist weder dort noch hier der Einfluß so ausschlaggebend ge- 
wesen. Der ganze tragische Wirrwarr untersteht im letzten der Leitung 
genialer Jugendinstinkte des Volkes. Das politisch Schädliche hat den Kul- 
turwillen kaum berührt; die Kunst im besonderen hat sich unbekümmert 
entfaltet nach dem Gesetz, das ihr innewohnt. Wie fest die Kunst geschicht- 
lichen Ereignissen auch oft verknüpft zu sein scheint, in allem Entscheiden- 
den hat sie eine eigene Geschichte. Denn sie lebt von eigenen Kräften. 
Die politisch gefährlichen Italienzüge bauten sogar eine Brücke, auf der 
das rein Geistige unaufhörlich herüberkam und hinüberging; die antiken 
Überlieferungen konnten nie ganz abreißen. Es kam hinzu, daß das geistig 
selbständig werdende Kaisertum mehr und mehr Einfluß auf den Adel 
gewann. Der Erfolg war, daß der geistlichen Bildung mit der Zeit eine 
ritterliche zur Seite trat. Der nicht leicht zu überschätzende Einfluß der 
Kreuzzüge kam hinzu — ein Einfluß, der vor allem darauf beruhte, daß die 
europäischen Völker mit weniger bekannten, hochentwickelten Kulturen 
zusammentrafen, daß sie ihr äußeres und inneres Gesichtsfeld mächtig er- 
weiterten und daß diese gewaltsam entwickelte Weltbürgerlichkeit das 
Nationalgefühl vertiefte. Kulturell betrachtet war es auch ein Vorteil, daß 
die Europäer aus der Fremde den Zweifel heimbrachten — den Zweifel an 
dem vorgeblichen Unwert der »Ungläubigen«. Dieser Zweifel mußte seine 
Stacheln notwendig gegen die eigene Unfehlbarkeit im Glauben richten: 
er schuf Gegenkräfte, und durch sie einen guten Boden für Kunst und 
Wissenschaft. 
Mit den Kreuzzügen, die die Papstmacht noch mehr stärkten, begann 
neben der kirchlichen eine höfisch-ritterliche Kultur. In ihr, deren Blütezeit 
zwischen 1150 und 1230 liegt, wurzelt das Heldenepos und das Minnelied. 
aber auch die volkstümliche Spielmannsdichtung, die der lateinischen 
Kunstsprache eine deutsche Volkssprache zur Seite stellte. »Frau Welt«
	        
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