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aus der einfachen Betrachtung der vorhandenen Gleisanlagen und des auf den-
selben nach Maassgabe der Verkehrsrichtungen zu bewältigenden Betriebes ganz
von selbst, indem — Zug für Zug — seine bestimmte Bahn und Richtung,
seine concrete Weichen- und Signalstellung ihm durch die eisernen Klammern
der Verriegelungen vorgeschrieben wird.
In höchst übersichtlicher, einfacher und correcter Form ist dieser Schema-
tismus, gleichsam das Notenblatt der Weichenthürme auf den Braunschweigischen
Bahnen, von dem Oberbaurath Dr. Scheffler im Jahre 1871 entworfen und
schon damals instructionsmässig allen Ausführungen dieser Bahnen zum Grunde
gelegt. *) — Derselbe hat den Vorzug vor dem bis dahin üblichen Verfahren,
dass er — die vorherige Auftragung und Zeichnung jeder einzelnen Verschluss-
stange oder das ganz empirische versuchsweise Anbringen der Verschlüsse
beseitigend (bei welchen Versuchsarten sehr leicht überflüssige und die Hand-
habung erschwerende Verriegelungen durch mehrere Hebel vorkommen
können) — die Aufgabe durch einfache mathematische Zeichen (+ und —) löst,
welche — da sie die betreffenden Signal- resp. Weichenstellungen genau charac-
terisiren — in die den einzelnen Zügen und Hebelstellungen entsprechenden
Register eingetragen werden. Aus der Stellung und Gruppirung dieser Zeichen
unter- und nebeneinander lässt sich bei nur einiger Uebung, mit Hülfe eines
Situationsplanes, das für die Sicherheit unbedingt erforderliche Verriegelungs-
gerippe sehr rasch und für die complicirtesten Fälle so übersichtlich construiren,
dass ein solches Tableau der Verschlüsse jedem gewöhnlichen Signalwärter
verständlich und demgemäss auch jeder Instruction auf den Braunschweigischen
Bahnen beigefügt ist.
Um ein vollkommenes Verständniss des generell Gesagten zu erleichtern,
ist es nothwendig, an einem Beispiele dem Entwickelungsgang einer für eine
grössere Station bestimmten Weichenthurmanlage Schritt für Schritt zu folgen.
Wir wählen hierfür den Bahnhof Braunschweig, welcher zwar noch einen älteren,
nach englischem Muster (Saxby) ausgeführten Stellapparat besitzt, jedoch in
allen Details nach dem erwähnten Schematismus entworfen, im Jahre 1872
erbaut und mit bestem Erfolge ohne den geringsten Unfall seitdem im Betriebe
geblieben ist.
Schematismus der Weichenthürme,
anter speecieller Anwendung auf dem Bahnhofe zu Braunschweig.
(Tafel II, Fig. 1.)
Die Einmündung der neuen Linie Helmstedt-Magdeburg in die Kopf-
station Braunschweig im Jahre 1871 verlangte, mit Rücksicht auf die bereits
vorhandenen beiden älteren Linien von Hannover und von Wolfenbüttel-Harz-
burg, eine um so nothwendigere Rücksichtnahme auf die sichere und gefahrlose
Ein- und Ausfahrt dieser sämmtlichen Züge, als der vorhandene Güterbahnhof
von den Helmstedter Güterzügen nur durch eine aw niveau -Durchschneidung
sämmtlicher vorhandenen Hauptgleise erreicht werden konnte. Ein solcher
Güterzug musste somit beim Einfahren in den Güterbahnhof nothwendig allen
übrigen Verkehr auf den Hauptlinien unterbrechen, wodurch nicht nur die
*) Bevor das „System Rüppel“ auf den deutschen Bahnen ausgeführt war, befanden
sich auf den Braunschweigischen Bahnen schon längst Weichenthürme im Betriebe, die für
viele spätere Anlagen als Muster gedient und mit alle Dem principiell schon ausgerüstet
waren, was man mit dem Begriffe „System“ auszudrücken pflegt, D. Verf.