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vorstände einreicht, auf Grund welcher event. Strafanträge gegen die Wärter
und die Bahnaufseher gestellt und die aufgefundenen Fehler durch die Werk-
stättenverwaltung (Maschinen- und Wagenverwaltung) beseitigt werden. —
Diese bereits seit Anfang 1873 in Kraft befindlichen Einrichtungen sind in
sichtbarster Weise von Erfolg begleitet.
Wenn auch eine nunmehr fast 10jährige Erfahrung die unzweifelhafte
und sehr erhebliche Erhöhung des Sicherheitsgrades durch die An-
lage von Weichenthürmen ergeben hat und ergeben musste, so gebietet doch
die rein objective Betrachtung und Kritik dieser Vorrichtungen auch die
Fälle anzudeuten, in welchen noch Gefahren oder Irrthümer — sei es durch
das Verschulden des Personals oder durch mechanische Mängel — auftreten
können.
In ersterer Beziehung ist es allerdings in sehr wenigen und streng ge-
ahndeten Fällen vorgekommen:
1) dass die Signale am Abschlusstelegraphen, resp. Distanzsignale, von
den Locomotivführern nicht genau beachtet, und vorbeigefahren sind. Eine
drakonische Bestrafung ‚schon für die geringste Nichtbeachtung der Distanz-
signale ist daher vollkommen gerechtfertigt, da dieses Signal trotz seiner
weiten Hinausschiebung unbedingten Gehorsam verlangt, um einen schweren
Zug bei ungünstigen Witterungsverhältnissen — schlüpfrigen Schienen, Nebel
oder bei Gefällen, noch vor dem Abschlusstelegraphen sicher zum Stehen
zu bringen. Es ist daher nicht nur auf die exacte Function dieser Signale und
deren sorgfältige Beleuchtung stets das schärfste Auge zu richten, sondern
auch das gesammte Bremspersonal durch specielle Anlernung und Instruction
zu seinem wichtigen Berufe systematisch heranzubilden, wie. dies auf den Braun-
schweigischen Bahnen geschieht.
Die absolut grosse Gefahr des unfreiwilligen Vorbeifahrens eines Abschluss-
Telegraphen lässt es ferner erwünscht. erscheinen, denselben niemals zu nahe
vor den Eingangs-Weichen aufzustellen, sowie überhaupt generell ausgesprochen
werden muss, dass überall bei Errichtung und Disposition der Signale auf die
Wünsche erfahrener und bewährter, unter der schwersten Verantwortung”) stehen-
der Locomotivführer — seitens der Betriebsleitung‘ — billige Rücksicht zu
nehmen ist.
2) Momentaner Irrthum in Auslegung der Signale, Mängel im
Wahrnehmungsvermögen seitens der Locomotivführer und Signalwärter,
wie sie bei anstrengendem und complicirtem Dienste vorkommen, sind bei der
Einfachheit und Uebersichtlichkeit der hiesigen Signale kaum beobachtet.
Allerdings hat unmittelbar nach Eröffnung des Weichenthurms der Loco-
motivführer eines Güterzuges das Personenzugsignal des benachbarten Semaphoren
in der Nacht für sein eigenes gehalten, — sofort ist aber die Stellung der
Abschluss-Telegraphen verändert, da-ein solcher Irrthum naturgemäss mit grosser
Gefahr verknüpft ist. In einem andern Falle war dem Weichenthurm - Wärter
der electrische Befehl zum Ziehen des Ausfahrsignals eines Personenzuges er-
*) So wird in einer dem Verfasser vorliegenden Dienst-Instruction für Locomotivführer
von demselben vorlangt, dass er die Stellung der Weichen, welche er passiren muss, beob-
achten, und dass er „dafür zu sorgen“ hat, dass er mit dem Zuge, welchen er fährt, nicht in
das unrichtige Gleis kommt. Wir wollen annehmen, dass diese Instruction nicht buchstäblich
gehandhabt wird, da der Führer zwar in der Regel die Stellung der Eingangsweichen beob-
achten, nicht aber mit einem durchfahrenden Schnellzuge für die richtige Stellung nahe zu-
sammenliegender Weichen eines Bahnhofes Sorge tragen kann,