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Aber ob nicht eine besondere Kunstgewerbeschule von der Stadt
zu errichten sei, ist eine Frage, die schon seit längerer Zeit er-
wogen, freilich aber nicht recht vorwärts gekommen ist und für die
Meisterfortbildung werden wir wohl auch allmählich mehr tun
müssen, als bisher geschehen ist.
Eine dringliche Aufgabe der nächsten Zeit wird aber die Errich-
tung der Pflichtschule für die weibliche Jugend sein, und
man ist berechtigt zu fragen, warum diese nicht schon vor Jahren
errichtet ist, warum man so lange zaudert. Ja, wir warten auf
die Novelle zu $ 120 der Reichsgewerbeordnung, warten schon
Jahre lang geduldig-ungeduldig. Ehe wir nicht wissen, ob in
diese Schule nur die Angehörigen der kaufmännischen Betriebe
oder auch die gewerblichen Arbeiterinnen gehören, können wir
sie nicht gut ins Leben rufen. Denn die Schule muß in dem einen
Falle ganz anders als in dem anderen organisiert werden. Das
aine Mal handelt es sich vielleicht um 3000, das andere Mal um
20—30 000 Schülerinnen. Hier muß das Reich erst sprechen,
she die Stadt Berlin sich entschließen kann. Vorbereitungen für
den Tag der Entscheidung sind bereits getroffen worden.
Eine noch viel dringendere Aufgabe ist aber in der Gegenwart und
für die nächste Zukunft die Abwehr gegenüber den Versuchen,
der Pflichtfortbildungsschule völlig heterogene Zwecke
aufzudrängen und sie ihrem natürlichen Ziele zu entziehen. Hier
ist es angebracht, sich klar zu fragen: Was kann man denn von
einem sechsstündigen oder vierstündigen wöchentlichen Unterricht,
der in je 40 Wochen drei Jahr lang stattfindet, billigerweise er-
warten? Doch keine Wunder! Man muß das recht beschränkte
Potential der Pflichtschule im Auge behalten. Eine allgemeine
Sanierung der öffentlichen Schäden kann doch weder der Staat
selbst, noch irgend eine Partei von der Pflichtschule erhoffen.
Diese leistet, was sie leisten soll, wenn sie die ihr eigene Aufgabe
arfüllt, wenn sie dem Schüler den Eintritt in den Beruf erleichtert,
wenn sie die Mängel der Meister- und Werkstattlehre durch Er-
gänzung beseitigt, wenn sie den Schüler berufstüchtig macht und
ihn zur friedlichen Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern
ınd mit dem Staate erzieht. Die Pflichtschule wird ferner gern
versuchen, alle körperlichen und sittlichen Schädigungen nach
Möglichkeit von ihren Schülern abzuwenden, aber ihr wirklicher
positiver Beitrag mit ihren 720 oder 480 Stunden in 3 Jahren kann
doch nicht die Sanierung und Rettung des gesamten Staatswesens
sein. Wenn die ganze Fortbildungsschule in eine Anstalt für