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Leibesübungen, in eine Turn- und Ausflugschule, oder‘ in ein
praktisches Hygieneinstitut und Sanatorium, oder in eine Kunst-
akademie umgewandelt würde, oder wenn sie ausschließlich in eine
ethisch und religiös bildende Erziehungsanstalt, oder in eine Stätte
der Belehrung über die Natur verwandelt würde, was würde sie
dann wohl für die Nation und ihren Fortschritt erreichen? Gewiß
nur herzlich wenig oder garnichts. Es dürfte gut sein, die
Wirklichkeit im Auge zu behalten. Wer da meint, es könne auf
irgend eine Weise durch die Fortbildungsschule positiv die Wehr-
tüchtigkeit Deutschlands gehoben werden, der frage sich doch
ernstlich, was die 4 oder 6 Wochenstunden der Schule im Ver-
hältnis zu den vorausgegangenen Jugendeinflüssen und zu der
gleichzeitigen schweren Berufsarbeit der Gewerbetreibenden be-
deuten und was für eine Frucht sie bringen können, ob nicht an
ganz anderer Stelle zugefaßt werden müßte, um den Prozentsatz
der Militärtüchtigen zu heben, und wer durch die Pflichtschule
die Schüler gesund machen will, der zeige uns das Heilmittel,
Jurch das man die Schäden der Kinderstube beseitigen kann, und
wer die Kunst zum Mittelpunkt der Pflichtschule machen will, der
liefere uns ein anderes begabtes Schülermaterial. Überhaupt aber,
wo nimmt denn jemand ein inneres Recht, in Fragen der
Fortbildungsschule mitzusprechen her, der nicht das Wohl der
Schüler selbst als Ziel vor Augen hat, sondern mit der Schule
seine eigenen Zwecke, mögen sie noch so gute sein, erreichen will?
Natürlich wollen wir mit der Pflichtschule soviel wie möglich
Gutes erreichen und hoffen auch auf gute Nebenwirkungen der-
selben, aber um der Schüler willen. Man soll nicht das Erreich-
bare mit dem Unerreichbaren verwechseln und dadurch den Kern
des Fortbildungschulwesens gefährden.
Und damit komme ich zu der Frage des Religionsunter-
richtes auf der Pflichtschule. Hier muß das Urteil ja persön-
lich ausfallen. Ich kann nur persönlich und von dem konfessionellen
Standpunkte aus, den ich von meinen Vorfahren ererbt und durch
innere Kämpfe selbst erworben habe, dem protestantischen,
sprechen, obwohl ich glaube, auch von gewissen allgemeinen
pädagogischen Gesichtspunkten aus zu urteilen. Andere mögen
anders entscheiden. Vom protestantischen Standpunkte aus muß
ich dringend vor dem Versuch der Einführung obligatorischen
Religionsunterrichtes in die Fortbildungsschule warnen. Wer sich
den Gedanken wirklich klar macht, daß die Fortbildungsschule. in
ihrer sicheren Zweckbestimmung Berufsschule für den Gewerbe-