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und Handelsstand ist, der hat damit schon die Frage entschieden.
Die Religion tritt in Deutschland in der Form der Konfession auf,
aber es gibt, abgesehen von dem Amte des Geistlichen und
Religionslehrers, doch nur wenige konfessionelle Berufstätigkeiten.
Handel und Gewerbe sind keine konfessionellen Tätigkeiten, mag
auch die Konfession den einen zu diesem, den andern zu jenem
Beruf mehr hinziehen, und die Konfession trägt, so sehr sie: die
sittliche Erziehung des Menschen fördern mag, nichts zur Berufs-
bildung der arbeitenden Klassen bei. Für den Protestanten ist
aber seit Luther die Religion Gewissenssache, innerlicher Erwerb
und freie Überzeugung, nicht äußerer Zwang, nicht Knechtesfessel,
nicht fremde Autorität. Und gerade das Alter, das wir im Fort-
bildungsschüler vor uns haben, ist in religiöser Beziehung am
wenigstens zwangsweise beeinflußbar. Der Zwang erweckt Miß-
trauen und Zweifel, und durch aufgezwungenen konfessionellen
Religionsunterricht wird man in der Pflichtschule nur Abneigung und
Widerstand erwecken. Eine starke Gefährdung der Organisation
durch einen Fremdkörper, eine starke Störung der Disziplin,
3owie eine Verminderung des erziehlichen Einflusses der Fort-
bildungsschule würde durch obligatorischen Religionsunterricht
aintreten. Die Religionslehrer würden eine schwere, unhaltbare
Position einnehmen und nicht zu beneiden sein. Und diejenigen,
die von den besten Absichten beseelt, Gutes für die Schüler und das
Vaterland davon erwarten, würden meines Erachtens bald einsehen
müssen, daß sie die Sache der Religionsfeinde gefördert und den
Ast, auf dem sie selbst sitzen, abgesägt haben. Die General-
synode hat in dieser Frage eine zu billigende, zurückhaltende
Stellung eingenommen, die Handwerkervertretungen lehnen den obli-
gatorischen Religionsunterricht ab, die Beiräte der Pflichtschule
haben nichts von ihm wissen wollen, München hat, wie mir gesagt
ist, keine guten Erfahrungen mit ihm gemacht, trotzdem er dort der
Sonntagsschule zugewiesen ist, und viele Schulstrafen haben
wegen Versäumnis des Religionsunterrichts verhängt werden
müssen. Wer es ernst meint mit der Sache der Religion, der
sehe sich vor und lasse lieber der freiwilligen Betätigung der
Jugend an den von den Städten innerhalb des Fortbildungsschul-
anterrichts geschaffenen Gelegenheiten für die Schüler, sich
religiös zu belehren und zu erbauen, Stärkung zuteil werden. Und
wer etwa meint, gerade der ungelernte Arbeiter habe den religiös durch-
tränkten allgemeinen Unterricht nötig, der frage sich auch einmal, ob
nicht gerade der entgegengesetzte Weg der richtige ist und ob