III. Kapitel. Die gestörte und beschleunigte Längsbewegung des Flugzeugs 397
Flugbahn im überzogenen Fall ist nicht durch den schnellen Aus-
gleich. der bahnsenkrechten Kräfte wie im Falle 4 zu erreichen,
sondern nur durch den verhältnismäßig langsamen Ausgleich der
Kräfte in der Bahnrichtung; dieser Ausgleich kann durch die — dem natür-
lichen Gefühl zunächst widerstrebende — Maßnahme des Drückens stark be-
schleunigt werden.
Unsere Diskussion setzt uns nun in den Stand zu beurteilen, welche äußeren
Umstände und welche konstruktiven Maßnahmen den Eintritt und die
Gefahren des überzogenen Flugs in günstiger oder ungünstiger Weise beeinflussen.
Zunächst ist klar, daß Störungen .der besprochenen Art harmlos werden, wenn
man die. Möglichkeit hat, unmittelbar in den Ausgleich der in der Bahnrichtung
wirkenden Kräfte einzugreifen, wenn man also die Geschwindigkeit durch erhöhte
Motorleistung augenblicklich steigern kann. Dies ist der Fall, wenn mit gedrossel-
tem Motor geflogen und im Augenblick der Gefahr der Motor auf volle Leistung
gestellt wird, und ist besonders der Fall, wenn die Störung im Gileitflug eintritt,
wobei die ganze Motorleistung als Reserve zur Verfügung steht. Auch bei großem
Leistungsüberschuß am Boden, also bei sehr steigfähigen Flugzeugen, ist die Gefahr
vermindert; denn diese steigen in Bodennähe bei großem Anstellwinkel sehr steil
an; der Anfangswert von 6 ist also groß, daher wird @ nicht so schnell negativ;
es dauert länger, bis die Flugbahn sinkt.
Beim Gleitflug tritt der überzogene Zustand auch deshalb weniger leicht ein,
weil die maßgebende Kurve auf der (v, «)-Ebene (Abb. 250) bei negativem & zu
kleineren. Geschwindigkeiten herabreicht wie beim Anstieg. Dazu kommt, daß man
beim Gleitflug ohnehein kleinere. Anstellwinkel benutzt wie beim Anstieg; der An-
stellwinkel flachsten Gleitflugs ist kleiner als der Anstellwinkel steilsten Anstiegs.
Die Konstruktion des. Flugzeugs kann in zweierlei Weise Einfluß auf den
Verlauf des überzogenen Fluges haben: erstens gibt es Maßnahmen, die den
Eintritt des überzogenen Flugs hindern, zweitens solche, die das Herauskommen
aus demselben erleichtern. Der Eintritt wird um so mehr erschwert, je.weiter die
kleinste Geschwindigkeit des normalen Fluges von der Geschwindigkeit, bei welcher
ein Gleichgewicht der bahnsenkrechten Kräfte nicht mehr möglich ist, entfernt
liegt. Die Differenz der beiden Geschwindigkeitswerte ist aber proportional der
Differenz 8 Ve A also bei gegebener Flächenbelastung durch die Differenz
der beiden Auftriebsbeiwerte beeinflußt. Diese Differenz hängt sehr wesentlich
vom Profil ab.. Wir können zwei Profiltypen (Spad und Fok. in Abb. 262) unter-
scheiden; der eine mit kleinen Widerstands- und Auftriebsbeiwerten . wird bei
schnellen, der andere mit großen Beiwerten bei gut steigenden Flugzeugen be-
vorzugt. Der. Wert des Auftriebsmaximums liegt beim zweiten weiter entfernt
vom Auftriebsbeiwert, welcher zum steilsten Anstieg gehört, als beim ersten.
In der Tat haben erfahrene Führer bei der Flugzeugmeisterei darauf hingewiesen,
daß das Spad-Flugzeug leichter überzogen wird ‚als das Fok-Flugzeug. Messungen
im Göttinger Kanal für die beiden Profile ergeben in der Tat
beim Spad Doppeldecker ........8Sc, =0,23
beim Fok Doppeldecker. ..... Sc. = 0,37.