116 Anmerkungen II.
Corpusculartheorie und Wellenmechanik, Kausalität und Zielstrebigkeit,
Determination und Freiheit — schließlich vielleicht auch Realismus und
Idealismus, Monismus und Dualismus, Individualismus und Universalismus.
(S. auch HILDEBRANDT über Positivismus und Natur, Z. ges. Naturwiss.
1935, Einführungsaufsatz.)
74 Es ist nicht zu verwundern, daß die gewaltige Entwicklung der Physik
und Chemie im 19. Jahrhundert oft dazu verführt hat, im Überschwang
des Gefühls, „wie herrlich weit man es gebracht habe‘, die Gesamtheit
der Naturgebilde für „physikalisch-chemisch ableitbar‘‘ anzusehen. Nach
ZEHNDER z. B. mußten aus anorganischer Materie Lebewesen entstehen,
sobald nur (!) die geeigneten Lebensbedingungen dafür vorhanden waren.
Vgl. hierzu auch die vergnüglichen Worte, die CHR. SCHÖNBEIN in einem
Briefe an SCHELLING am 25, Mai 1854 schrieb: „Man hatte allerhand außer-
halb der Atome liegende Mittel nötig, um diese an und für sich toten
Dingerchen herum zu puffen; man leimte ihnen, der Himmel weiß wie,
Elektrizitäten, Wärme, Affinitäten usw. auf, gleichsam als Leitseile, an
denen man sie hin und her zerre.‘“ (In KAHLBAUM, Biographien 3, 62.) —
„Das ist das große unglaubliche Wunder: in jedem menschlichen Keim
etwa liegt die ganze unendliche Vergangenheit, die Hunderte von Jahr-
millionen brauchte und die nun in den neun Monaten der Keimentwicklung
wiederholt wird‘ (BERTALANFFY). (Sollte es indes einem NEWTON-FARADAY-
MAXWELL des Lebens dereinst gelingen, aus bestimmten Ur-Tatsachen
oder Ur-Annahmen die unendliche Mannigfaltigkeit ganzheitlicher bio-
logischer Daseinsformen — wenn auch nicht das Leben selbst — zwingend
abzuleiten, so würde die Nebenfrage auftauchen, ob jene neuen „Ur-Sachen‘‘
noch zu Physik und Chemie gerechnet werden sollen.)
?5 Die hohe Mathematik, die von vornherein auf „„,Veranschaulichung‘
verzichtet, scheint in dieser Beziehung günstiger gestellt zu sein, so daß
wohl tatsächlich eine ‚mathematische Biologie‘ ein erstrebenswertes Ziel
wäre, Nur muß man sich darüber klar sein, daß eine solche mathematische
Biologie, je mehr sie das Gesamtgebiet des Lebenden in Voraussagungen
zu beherrschen lernt, um so „„wirklichkeitsferner‘‘ sich darstellen wird,
gleich der Physik, die anerkanntermaßen sich mit fortschreitender An-
wendung mathematischer Symbole von jeder „Anschaulichkeit‘, d.h. von
der Wirklichkeit mit ihren Qualitäten, die mit Zahlen nicht einmal an-
gedeutet werden können, immer weiter entfernt, so daß von einer „Ver-
stehbarkeit der Weltidee durch das mathematische Gesetz‘ (LANCZzos)
nur in formaler Hinsicht die Rede sein kann. — GOoETHE: „Wissenschaften
entfernen sich im ganzen vom Leben und kehren nur durch einen Umweg
dahin zurück.‘ HEISENBERG: „Der Fortschritt der Naturwissenschaft
wurde erkauft durch den Verzicht darauf, die Phänomene in der Natur
unserem Denken durch Naturwissenschaft unmittelbar lebendig zu machen.
Mit jeder großen Entdeckung werden die Ansprüche der Naturforscher
auf ein Verständnis der Welt in ursprünglichem Sinne geringer.‘ (So daß
schließlich doch der „Tagesansicht‘‘ FECHNERS das letzte Wort bliebe?
Der Lichtstrahl etwa „ein seiner Eiweißhülle entkleideter Nerv“? Nach
LoTzE gelangt erst in der Lichtempfindung der Lichtstrahl zu Wert und
Erfüllung. MAERTERLINCK: „Das Licht ist notwendig geistig‘. Demnach: