I. Spezieller Teil.
1. Der Katalysebegriff nach Form und Inhalt.
BERZELIUS als Schöpfer des Katalysebegriffes.
Nachdem durch KAxnrts „Kritik der Urteilskraft‘“ die Grenzen
der teleologisch-biologischen Begriffe: Naturzweck, Lebenskraft und
Formtrieb („nisus formativus‘“ von BLUMENBACH) philosophisch
umrissen worden waren, hat die biologische Wissenschaft des
19. Jahrhunderts (Physiologie, Morphologie und Entwicklungs-
lehre) in lebhaftem Hin und Her angefangen, jene Begriffe mit
zuverlässigem Inhalt anzufüllen. Dabei hat ihr die Chemie des
Jahrhunderts vor allem in zwei Punkten nützliche Hilfe geleistet:
Einmal wurde gezeigt, daß zahllose chemische Bestandteile der
Organismen, die zuvor dem Wirken der „Lebenskraft“ zugeschrie-
ben worden waren, auch von der Kunst des Chemikers aus „an-
organischem‘“ Material hergestellt werden können, von Fr. WöH-
LERS Oxalsäure aus Cyan (1824) und Harnstoff aus Ammonium-
cyanat (1828), PELOUZzES Ameisensäure aus Blausäure (1831) und
KoLBEs Essigsäuresynthese (1845, aus Schwefelkohlenstoff, Chlor
und Wasser) über die wichtigen synthetisch-organischen Arbeiten
von BERTHELOT (um 1860) bis zu dem Reichtum der Farbstoff-
und Alkaloidsynthesen, dem Aufbau von Zuckerarten und Riech-
stoffen und bis an die Schwelle des Eiweiß (Emm FISCHER) sowie
bis zur Synthese einzelner Hormone und Vitamine‘.
Andererseits ist der Chemie des 19, Jahrhunderts auch der
wichtige Nachweis gelungen, daß die „wahlhaft‘““ und „gerichtet“
erscheinenden chemischen Vorgänge im Organismus, die zuvor als
Äußerungen der Lebenskraft angesehen worden waren, ihr Gegen-
stück haben in Reaktionen, die schon in der Werkstätte des
Chemikers gelingen, sofern. bestimmte, besonders wirksame stoff-
liche Hilfsmittel angewendet werden?,
Hier war es zuerst ein schwedischer Forscher, der entschlossen
einen großen Teil dessen, was bisher jener Lebenskraft zugeschrie-
Mittasch, Katalytische Verursachung.