Full text: Über katalytische Verursachung im biologischen Geschehen

Der Katalysebegriff nach Form und Inhalt. 
Zum Teil ist die Zurückhaltung wohl zurückzuführen auf die 
Form der Katalysedefinition, die WILHELM ÖOSTWALD um die 
Jahrhundertwende an Stelle derjenigen von BERZELIUS gesetzt 
hat und die besagt, daß der Katalysator durch seine Gegenwart 
nicht einen chemischen Vorgang neu hervorruft und ermöglicht, 
sondern einen mit geringer oder geringster Reaktionsgeschwindig- 
keit schon stattfindenden Vorgang — Synthese oder Spaltung, 
Reaktion und Gegenreaktion — beschleunigt. Wenngleich sich diese 
Definition durch die Einführung des Zeitbegriffes („Geschwindig- 
keit‘) als sehr fruchtbar für die gesamte katalytische Forschung 
(auch in der Physiologie; s. HÖBER, SCHADE u. a.) erwiesen hat, 
so kann doch nicht übersehen werden, daß sie, an der Beob- 
achtung gemessen, einseitig oder unvollständig ist, indem es ja 
neben denjenigen Reaktionen, für die OsTwALDs Definition ohne 
weiteres zutrifft (z. B. Beschleunigung der Sulfitoxydation durch 
die Gegenwart von Kupfer), unzählige andere chemische Re- 
aktionen gibt, die, obwohl theoretisch möglich, doch niemals auch 
nur spurenweise in Abwesenheit von Katalysatoren beobachtet 
worden sind, sondern überhaupt nur in Gegenwart von Fremd- 
stoffen vor sich gehen; hier aber verliert, wie es scheint, OÖSTWALDS 
Definition den realen Boden und wird zum Formalismus®, da nach 
dem Sprachgebrauch jede ‚Beschleunigung‘ das vorherige Vor- 
handensein einer gewissen meßbaren Geschwindigkeit voraussetzt 
s, auch WILLSTÄTTER, Naturwiss, 1927, 587). 
(Wenn sich OsTwALD auf das „thermodynamische Postulat‘ zurück- 
zog, daß jede Reaktion, die möglich sei, auch wirklich stattfinde, so hat 
die Wissenschaft über die Berechtigung jener „Extrapolation‘‘ zu urteilen; 
phänomenologisch bleibt eine gewisse hypothetische Gewaltsamkeit be- 
stehen, so daß der Praktiker, zumal in der Biologie, vorziehen dürfte, mit 
einer abgeänderten Definition zu arbeiten, die sich, ebenso wie die von BER- 
ZELTUS, völlig auf Beobachtung gründet. Eine Reaktion, die über den 
Katalysator läuft, kann dies nicht ohne den Katalysator tun!) 
Besonders deutlich tritt diese Einseitigkeit in den zahlreichen 
Fällen zutage, wo die freie Energie eines Systems in verschiedener 
Art, Richtung und Abstufung abfallen, die Reaktion also ver- 
schiedene Bahnen und Wege gehen kann. Als ein Beispiel von vielen 
sei das System Kohlenoxyd und Wasserstoff genannt, aus dem 
bei passenden Temperaturen und Drucken, je nach der Natur 
des Katalysators, neben Wasser entstehen können: Methan oder 
Methylalkohol oder höhere Alkohole oder flüssige Kohlenwasser-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.