14 Der Katalysebegriff nach Form und Inhalt.
beim Einführen von Platindraht. Läßt man einen Ersatz des auslösen-
den Steinchens durch einen Schneeball, also den körpereigenen „Lawinen-
stoff“ zu, so fallen auch exzessive Autokatalysen, wie die stürmische Selbst-
zersetzung der Schießbaumwolle schon durch kleine Mengen gebildetes
Stickoxyd, oder die bald explosive Heftigkeit annehmende Auflösung von
Kupfer in ursprünglich stickoxydfreier konzentrierter Salpetersäure, unter
den Begriff der Lawinenreaktion; s. auch Idiosynkrasie — Modell Anm. *,
So ergeben sich Übergänge nach der besonderen Form der
„Autokatalyse‘“ oder ‚„Zuwachskatalyse‘‘, bei der das Reaktions-
produkt — bzw. ein Zwischenprodukt — den weiteren Verlauf
der Gesamtreaktion im Tempo fördert (beschleunigt), und die
auch im Gebiet fester Formart als Keimkatalyse (z. B. bei photo-
chemischen Wirkungen) eine bedeutende Rolle spielt, vor allem
aber in den kolloidehemisch-organischen Gestaltungen des Lebens
sicher ein überaus wichtiger Geschehensfaktor ist, öfters vielleicht
auch in der Weise, daß ein Biokatalysator nebenher seinen eigenen
Zuwachs katalysiert.
Als Beispiel und Modell einer Zuwachskatalyse sei das Verhalten des
chemischen Systems Ni + 4 CO = Ni(CO)4
angeführt, das — ob man von links oder von rechts kommt — einem von
Temperatur und Druck (jedoch nicht von der Menge der festen Phase
Nickel) abhängigen Gleichgewicht, d. h. einem bestimmten Konzentrations-
verhältnis von dampfförmigem Nickelcarbonyl und gasförmigem Kohlen-
oxyd zustrebt. Reiner Nickelcarbonyldampf hält sich in einem reinen Glas-
gefäß geraume Zeit unverändert, selbst wenn der Temperatur entsprechend
gleichgewichtsmäßig eine beträchtliche Zersetzung erfolgen sollte; ist aber
erst an der Glaswand ein Nickelkeim spontan entstanden (oder hat man
von vornherein etwas Nickelfolie hineingebracht), so geht an dem Keim
die weitere Zersetzung — Membran bildend — mit (zunächst) zunehmender
Geschwindigkeit vor sich.
Auch Katalysen, die Kettenreaktionen einschließen, nehmen in
bezug auf energetische Indifferenz und sonstwie keine Ausnahme-
stellung ein; nur mit dem Unterschied, daß, während sonst der
Katalysator immer wieder von neuem für das Auftreten von
„Urreaktionen‘‘ zu sorgen hat, bei der Kettenreaktion der einmal
katalytisch in Gang gebrachte Elementarvorgang ein derart
energiereiches Produkt liefert, daß dieses in mehr oder minder
langer „Kette“ (bis zu Tausenden von Gliedern) mit größter
Geschwindigkeit immer wieder neue Molekeln mit der nötigen
Aktivierungsenergie auszustatten vermag!”
Um sich ein möglichst anschauliches Bild vom Vorgang der
Katalyse zu machen, muß man sich noch bewußt sein, daß es