Besondere Merkmale der Enzyme. 21
Verhältnisse der Organismen nahegelegte Wege gegangen ist. So
unterscheidet man z. B. Oxydasen und Oxygenasen, Hydrogenasen
und Dehydrogenasen, Dehydrasen, Esterasen usw., oder man
spricht mit schärferer Bezugnahme auf die umzuwandelnden Sub-
strate von Carbohydrasen, Amylasen, Gärungs-Zymasen, Inver-
tasen, Lipasen, Phosphatasen, Proteasen, Peptidasen, Sulfatasen,
Ureasen usw.*,
Gegenüber den künstlichen Katalysatoren des Chemikers, die
qualitativ mehrfach Gleiches oder Ähnliches leisten können, kenn-
zeichnen sich die Enzyme vor allem durch
a) besonders hohe Aktivität, so daß die erreichten Reaktions-
geschwindigkeiten diejenigen ihrer künstlichen Modelle oft um
mehrere Zehnerpotenzen übertreffen (s. S. 26);
b) sehr stark ausgeprägte Spezifität, und zwar nicht’ nur hin-
sichtlich der Reaktionsrichtung, sondern vor allem auch in der
Beschränkung auf Substrate von ganz bestimmtem Bau. Für
den gleichen Vorgang der Hydrolyse (Spaltung unter Anlagerung
von H’- bzw. OH’-Ion an die Spaltstücke), der sehr weit ver-
breitet ist, wird so eine Unzahl von Fermenten benötigt (z. B.
Lipasen, Proteasen, Peptidasen, Glykosidasen).
Hierbei ist von besonderer Bedeutung, daß den stereoisomeren
chemischen Verbindungen asymmetrischen Molekularbaus im
Organismus anscheinend jeweils eine optische Aktivität des an-
greifenden Fermentes zu entsprechen hat, wenn intensive Wir-
kungen zustande kommen sollen,
Nach E. FISCHER, ABDERHALDEN, ROSENTHALER, NEUBERG, R. KUHN,
WEIDENHAGEN u. a. wird so von optischen Antipoden nur die eine der
spiegelbildlich isomeren Formen durch ein bestimmtes Ferment verändert,
z. B. durch Hefeferment nur d-Glykose, d-Mannose, d-Fructose und d-Galak-
tose, durch Penicillium glaucum praktisch nur rechtsdrehende Weinsäure
(Emm FıscHER, Gleichnis vom „Schlüssel und Schloß‘); der rechtsdrehende
Mandelsäureester des Benzylakohols wird vom Lipaseenzym der Leber
wesentlich rascher verseift als der linksdrehende; der Asymmetrie des
glykosidischen C-Atoms mit zwei strukturidentischen Zuckerarten ent-
sprechen allgemein x- und S-Glykosidasen (Maltase bzw. Emulsin); Emulsin
bildet bevorzugt d-Mandelsäurenitril aus Blausäure und Benzaldehyd usw.
Als ein charakteristisches Merkmal der Enzyme gilt ferner ihre
relativ geringe Beständigkeit, insbesondere gegen Hitze, doch zeigen
auch gewisse andere Katalysatoren namentlich kolloidaler Art
(mit Ausflockungstendenz) ähnlich schwache Widerstandsfähigkeit.