Katalyse in der Wirkung der Erbfaktoren, 41
In der großen Vererbungslehre R. GOLDSCHMIDTS erscheinen
die umweltstabilen Gene oder deren stoffliche Unterbestandteile
von der Natur eines Katalysators bzw. Autokatalysators, und die
formativen Stoffe, z. B. die geschlechtbestimmenden Determina-
tionsstoffe, werden dem Begriff der „Hormone*‘ bei- oder unter-
geordnet, wobei aber auch dem Keimplasma als „Substrat“ der
steuernden Substanzen eine wichtige Rolle zufällt (F. von WETT-
STEIN u. a.). Das Entwicklungsgeschehen ist danach als eine Ver-
filzung von Reaktionsfolgen anzusehen, die durch Genstoffe
katalysiert werden, wobei schon „eine relativ geringfügige Anzahl
von Genkatalysatoren und von organbildenden Stoffen durch ver-
schiedene Kombination eine unendliche Vielheit von Reaktionen
und damit von Entwicklungsprozessen zu veranlassen vermag‘
(BERTALANFFY). Als ein besonders charakteristisches Merkmal
macht sich ein Zusammenwirken von Erbfaktoren geltend, das sein
Modellgegenstück in dem schon erwähnten Zusammenwirken der
verschiedenen Bestandteile von „Mischkatalysatoren‘“ der Tech-
nik hat. So wie beim Mehrstoffkatalysator die Gesamtwirkung
durchaus nicht einfach additiv aus den Wirkungen der Teile zu-
sammengesetzt ist, sondern kolligative „Aktivatorwirkungen“‘‘ auf-
treten, so entspricht bekanntlich auch dem Mosaik der Erbfaktoren
im Chromosom durchaus nicht ein einfaches Mosaik der Merkmale
und Funktionen, sondern es liegt ein Ganzheitszusammenwirken
vor (vielgenige Bestimmtheit z. B. der „Wildfärbung‘‘ des Felles
vieler Säugetiere), wobei ein einzelnes Gen für ein bestimmtes
Merkmal immer nur „die letzte Entscheidung trifft“‘. Die Analogie
ist so weitgehend, daß man in einzelnen Fällen direkt die Er-
scheinung des „Aktivators‘“ des Mischkatalysators (d.h. des die
Wirkung des Hauptbestandteiles modifizierenden Nebenbestand-
teils) wiederfindet, so z. B. dann, wenn in bestimmten Fällen der
Faktor für Farbgrundlage (Hauptbestandteil des Katalysators)
und der Faktor für Farbverwirklichung („Aktivator‘““ des Kataly-
sators oder ‚„Realisator‘‘) dominant zusammenwirken müssen,
damit eine Gefiederfärbung wirklich in Erscheinung tritt. So
spricht denn R.GOLDSCHMIDT von „ganzheitlich abgestimmten
Reaktionsgeschwindigkeiten‘“ verschiedenartiger Gene, deren jedes
ein unter Mitwirkung des Kernes entstandenes „Enzym“ sein
soll, das „eine Reaktion katalysiert‘“. Und wenn schon 1913
E. A.SCcHÄFER vermutete, „daß auch die Erblichkeit eines jener