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Überblick.
Um jede „Schwärmerei der Vernunft“ aber zu vermeiden, sei
die Mahnung beachtet, die einst BERZELIUS (in einem Briefe an
WÖHLER vom 20. Dezember 1836) ausgesprochen hat: „Gott be-
hüte, daß wir nur nicht anfangen, der katalytischen Kraft zuviel
zuzumuten!‘“ Eingedenk dieser Warnung vor einer Überschätzung
dessen, was die Katalyse vermag, wollen wir uns der Möglichkeit
nicht verschließen, daß es Katalysatoren höherer Ordnung streng-
genommen nicht gibt, indem genau gesehen der Katalysator wohl
immer nur einen winzigen Teilvorgang bestimmt, und eine etwaige
Unterscheidung zwischen Katalysatoren höheren und niederen
Grades lediglich darauf hinauslaufen dürfte, daß der katalytische
Teilprozeß mit seinem „Ferment“‘ das eine Mal Bestandteil eines
verhältnismäßig einfachen chemischen Vorganges ist (wie noch
bei manchen Enzymreaktionen), das andere Mal aber eingelagert
in verwickelte Reaktionsfolgen, die kaum zu überblicken sind,
wie hormonale, formative und genetische Prozesse.
Ob demgemäß in Zukunft der Biokatalysatorbegriff weiterhin die
„Enzyme“ als erste, besonders wichtige und bereits gründlich untersuchte
Gruppe neben den weiteren „höheren‘“ Formen in sich fassen wird, oder
ob man schließlich dem ‚„Biokatalysator‘“ das „Enzym oder Ferment‘
gleichsetzen will, gemäß der „einzig möglichen Definition‘ [nach OPPEN-
HEIMER, Handwörterbuch der Naturwiss., 2. Aufl., 3, 1146 (1933)] wonach
ein Ferment „ein Katalysator biologischer Herkunft‘ ist. kann den Fach-
gelehrten überlassen bleiben.
So kann der Biokatalysator bei seiner in der Regel mehr oder
minder scharf ausgeprägten Spezifität der Leistung wahrscheinlich
niemals als eine „höhere‘‘ oder eine „mehrfache Potenz“ geschweige
eine „prospektive Potenz‘‘ im Sinne von DRIESCH gelten; der Bio-
katalysator vermag wohl nie ein Gebieter zu sein, sondern immer
nur ein guter Diener und Arbeiter, der am laufenden Bande des
Lebens als einseitig ausgebildeter Spezialist seine bestimmte und
engbegrenzte Funktion ausübt — sofern die stofflichen und
energetischen Bedingungen dafür existieren —, dessen Leistung
für das Ganze aber bedeutungslos wäre, wenn nicht mit ihm und
nach ihm fortwährend eine Unsumme andere, gleichartige und
andersartige (niedere) Faktoren am gleichen Bande an der rechten
Stelle eingesetzt würden, so daß aus dem Zusammenwirken un-
zähliger katalytischer und nichtkatalytischer Vorgänge eine Wert-
leistung für den Organismus zustande kommt. (Die Frage, ob
in bestimmten Fällen Biokatalysatoren doch eine gewisse An-