Ziel und Zweck in der Natur.
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bedenklich einmal den Ausdruck „Kraft‘“ (als einer regelmäßig
wiederkehrenden Geschehensursache) gebrauchen — sich zum
Ziel- und Zweckbegriff verhält.
Wie schon die Worte „Zweck, Ziel‘ erkennen lassen, handelt es sich
auch hier wieder um eine menschlich-bildliche Bezeichnungsweise, und zwar
so gesehen, daß die Kausalreihe gewissermaßen zeitlich umgekehrt wird,
Zwecke gibt es unmittelbar nur im menschlichen Wollen, indem der Ver-
stand die „Folge“ als gefühlsbetonte Vorstellung vorwegnimmt und sie
zur „Vorursache‘““‘ der „wirklichen Ursache‘ (Handlung) macht, die nun
als Mittel zum Zweck (der Folge) erscheint. Dabei vollzieht der Wille eine
auswählende Tätigkeit, indem von verschiedenen möglichen Mitteln eines
verwirklicht wird, und oft wählt er auch eine ganze Menge ineinander-
greifender und innerlich verbundener Kausalreihen aus, die planvoll nach-
und nebeneinander verwirklicht und zu einem sinnvoll geordneten Ganzen
gestaltet werden, so beim Bau einer Maschine, eines Hauses. Und wie
steht es nun mit dem vielumstrittenen Zweckbegriff in der Natur? Wenn
Menschen einen tiefen Schacht vorsichtshalber mit einer Steinplatte zu-
decken, so ist das eine typische Zweckhandlung; wenn derselbe Effekt
etwa von einem großen Meteorsteine bewirkt werden sollte, der aus dem
Weltenraum kommend gerade auf jene Öffnung trifft, so wird niemand
von einem Zweck reden; dieser Fall ist zwar kausal bedingt, aber final
betrachtet „Zufall“. (S. auch G. WoLrFrFs Vergleich einer Gletschermühle
mit einer Steinschleifmaschine.) Und doch weist schon die anorganische
Welt nicht nur höhere „Ordnungen“ auf, sondern auch Beziehungen, die
eine Ziel- und Zweckbetrachtung zum mindesten als Analogie nahelegen;
es sei an gewisse Prinzipien der Mechanik, wie das des „kleinsten Aufwands‘‘
und das der „schnellsten Ankunft‘“, oder an den Entropiesatz, die „Gegen-
wirkung‘ im „beweglichen Gleichgewicht“ nach LE CHATELIER und an die
chemische „Affinität“ als „Streben“ chemischer Arbeitsleistung, vor allem
auch an die „Ordnung‘‘ und „Harmonie‘ im Kosmos erinnert, die den
Menschen schon sehr früh zu einer Art Sinn- und Zweckbetrachtung der
Natur geführt hat5%.
Um tiefer einzudringen, empfiehlt es sich, die begriffliche
Scheidung von „Ziel“ und „‚Zweck‘“, die schon im gewöhnlichen
Sprachgebrauch vorgebildet ist, auch hier einzuhalten, indem von
„Ziel“, „Zielstrebigkeit‘“, „Finalität‘“, „Konsekution‘“ und „Teleo-
kausalität‘“ da geredet wird, wo der menschliche Verstand die
zeitliche Kausalreihe prospektiv statt retrospektiv ansieht, mit
einer gewissen gefühlsmäßigen Höherwertung des zeitlich Nach-
folgenden; von Zweck, Zweckmäßigkeit oder gar Sinnhaftigkeit
da, wo in die Verstandestätigkeit sich nicht nur das Gefühl, sondern
dem Werte zuliebe auch der Wille einmischt, indem zeitlich-kausale
Zusammenhänge analogisch nach dem Bilde menschlichen Stre-
bens und menschlicher Willenshandlung angesehen und „ge-