Full text: Über katalytische Verursachung im biologischen Geschehen

Kausalität und Naturzweck. 63 
„Lebenserhaltung‘‘ in mannigfachster Weise abgewandelt, erweitert 
und auf eine höhere Ebene (bis zu bewußtem Denken und Wollen) 
erhoben: Assimilation, Adaptation, Formbildung, Regeneration 
und Restitution, Regulation, Kompensation und Selbststeuerung, 
Differenzierung, Organisation und Entwicklung, Trieb und In- 
stinkt sind sämtlich biologische Begriffe, in denen KAnTts „Natur- 
zweck‘ oder v. BAERs „Zielstrebigkeit‘“ herrscht, und nur man- 
gelnde Einsicht es verschuldet, daß kausale und finale Betrach- 
tungsweise ‚sich nicht völlig decken‘ (SIGWART, WUNDT). 
KAnrT: Die physisch-mechanischen und die Zweckverbindungen mögen 
an denselben Dingen in einem Prinzip zusammenhängen. — Die Biologie 
hat die objektive Realität in Zwecken anzuerkennen als innere Zweck- 
mäßigkeit des Naturwesens. — Die Welt als ein nach Zwecken zusammen- 
hängendes Ganzes ist zugleich ein System von Endursachen. E.v. HART- 
MANN: Kausalität und Finalität sind nur zwei Aspekte einer Sache. — Da- 
bei gilt aber immer das Wort von BECHER: „Ursache und Zweck laufen 
gleich wenig in der Natur frei herum“‘58, 
„Naturzwecke‘* im eigentlichen höheren Sinne findet der menschliche 
Intellekt in der anorganischen Natur nicht, zumal deren langausgesponnene 
und weitverzweigte Kausalnetze den Lebenswerten nur zu oft blind zer- 
störend, statt erhaltend, entgegentreten; zerstörende Wirkungen aber wer- 
den vom Menschen höchstens dann als zweck- und sinnhaft empfunden, 
wenn sie in höheren Erhaltungs- und Steigerungszusammenhängen stehen. 
Im gesunden Organismus dagegen sind alle Merkmale einer objektiven Zweck- 
mäßigkeit vereinigt: ein fortlaufendes zeiträumliches Geschehen in einem 
Zusammensein-Wechsel unzähliger physikalischer und. chemischer Einzel- 
prozesse mit dem ganzheitlichen Erfolge eines Wertes, d.h. des Lebens in 
seiner individuellen und phylogenetischen Entwicklung (richtiger ‚Ver- 
wicklung‘, nach v. UExKÜLL), wobei als unvermeidliche Dissonanz in der 
empfundenen Gesamtharmonie vor allem die Tatsache erscheint, daß das, 
was in bezug auf ein bestimmtes Organ oder ein lebendes Subjekt als zweck- 
voll empfunden wird, in bezug auf damit in Wechselwirkung stehende 
andere Organe oder Subjekte oft höchst zweck- und sinnwidrig sein kann 
und darum vom Individuum zur eigenen Lebenserhaltung und (beim 
Menschen) auch zur Erreichung höherer kultureller und moralischer Zwecke 
(vermeintlicher oder wirklicher) bekämpft werden muß. Dysteleologien 
mannigfacher Art treten dann auf höherer Ebene auch im Gemeinschafts- 
leben auf, ohne daß einer entwickelten Vernunft des Menschen die Hinweg- 
deutung oder Auflösung der zahllosen Sinnwidrigkeiten eigenen und fremden 
Daseins gelingt. — 
Was aber hat das alles mit dem Katalysator zu tun? Doch 
ein wenig, wie wir sogleich sehen werden, wenn wir in Gedanken 
folgendes chemische Experiment machen: Wir denken uns einen 
Zinkoxyd-Chromoxyd-Mischkatalysator in Form einer porösen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.