Full text: Erlebtes und Erstrebtes

  
Auf der Hauptverſammlung des Deutſchen Flottenvereins in München am 
27. und 28. März 1903 — die in jeder Beziehung eindru>svoll verlief — 
hatte Profeſſor v. Heigel in Ihwungvollen Worten die Notwendigkeit 
betont, daß Deutſhland Seemacht werden müſſe, und zum Schluſſe geſagt: 
„Unſere Kriegsflotte wachſe und gedeihe, dem Feinde eine furchtbare Trus- 
burg, uns aber eine goldene Arche des Friedens und der Wohlfahrt!" Er 
hatte aber au< die Worte geſprochen, daß die Flottenfrage Thon 1848/49 
eine Frage von ehter politifher Bedeutung geweien jei. Wie 
viel mehr mußte das jeßt der Fall fein! Die Leitung des Deutſchen Flotten- 
vereins hat bis zum Jahre 1908 an dieſer national-politiſhen Auffaſſung 
feſtgehalten, die auf der Münchener Tagung die allgemein herrſchende 
war, und doch ſollten nicht lange darauf gerade von München aus die erſten 
Minen’ gelegt werden, die den Frieden und die Einigkeit im Verein ge- 
fährdeten! „Hödur und Loki“! \cheinen eben niemals im deutſhen Volke 
ausſterben zu wollen. Sie treten nur unter verſchiedenen Verkleidungen 
auf, und auch die partikulariſtiſhe Verkleidung iſt, inſofern ſie die Reichs- 
wohlfahrt gefährdet, darunter zu rechnen. Diefe Gefahren würden aber 
niemals zu ihren unheilvollen Auswirkungen gekommen fein, wenn ein 
ſtarkes Nationalgefühl das ganze deutſhe Volk erfüllt hätte. 
Jh nahm deshalb Veranlaſſung, in der Januar-Nummer der „Flotte“ 
von 1904 — dieſe von der Präſidialgeſchäftsſtelle herausgegebene illu- 
ſtrierte Monatsſchrift zählte damals ſchon eine Auflage von 90 000 Stück — 
einen Leitgufſaß „Vom Nationalgefühhl““ zu veröffentlihen. Es fanden fi 
darin die Säge: „Zur Stärkung des Nationalgefühles 
gibtes nom iel zu (un Ur Furſe Volt UuUd Ne- 
gierung, für Schule, Haus und Familie!’ Ferner der 
Sas: „Für uns Flottenvereinsleute aber, bei denen deutich ſtets groß ge- 
ſchrieben wird, erwächſt die beſondere Pflicht, das nationale Gefühl ſowie 
den nationalen Stolz zu hegen und zu pflegen mit allen unſeren Kräften!“ 
Admiral v. Tirpißt deutete ſpäter einmal im Reichstage an, als über 
die Agitation des Flottenvereins von Zentrum, Freifinn md ©o- 
zialdemokraten geſhimpft wurde, daß der Flottenverein keine 
Politik treiben dürfe, indem er einen Saß aus den ‚„Satungen” vorlas, 
in dem allerdings von Politik niht die Rede war. Er vergaß jedo<h 
dDieanfhließenden Säße zu verlejen, ausdenen Flar 
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