Full text: Erlebtes und Erstrebtes

   
piß, den Slottenverein abfhüttelten, ein abgefar- 
tete8s Spielwaren. Es ift ein Zeichen unſerer neuen Zuſtände und 
der alles überragenden Macht des Zentrums, dag die Regierung es nicht 
wagt, ohne dag Zentrum — und das bedeutet unter Umſtänden gegen das 
Zentrum — einen Flottenbauplan durdzufeßen. Das Zentrum braut nur 
zu erklären: „Wir bewilligen die Vorlage nur, wenn als Entgelt dafür die 
uns unbequeme Agitation des Flottenvereins abgeſtellt wird,” und die Re- 
gierung \<lägt ein.” 
Ich habe dieſe Dinge erwähnt, weil ſie aud für die weitere Ent- 
wi>lung unſerer inneren Politif von Bedeutung 
waren, worauf no< an geeigneten Stellen zurü>zukommen ſein wird. 
Dur fei jest ſhon bemerkt, daß Admiral v. Tirpiß von jenem 
Zeitpunkte ab der Gegner eines unabhängigen Flot- 
tenvereins wurde. Erſtens dem Zentrum zuliebe, dem der Verein 
als ein nationaler Verein unbequem war, und zweitens, weil die Anſichten, 
die das Meihsmarineamt in tehniſhen Dingen teilweiſe damals 
vertrat, fi) Tchließlich als unhaltbar erweiſen ſollten. Das betraf — ab- 
geſehen von der bereits erwähnten ſchiefen Stellung zur U-Boot-Frage — 
das hartnä>ige Feſthalten an dem Werte der mittleren Artillerie und das 
Unterſchäßen der {weren Artillerie. Es betraf die Unterſhäßung des 
Wertes großer Schiffe — an denen es uns fehlte — mit großem Deplaze- 
ment und ausgerüſtet mit Geſchützen fchwerften Kalibers. Das Reichs- 
marineamt überſah dabei, daß nicht der nautifhe Wert eines Schiffes 
das entſcheidende ift, Tondern der artilleriftifche, einfchließlic der Torpedo- 
armierung. Daß aber das „Mautifche” bei mandem Seeoffizier immer 
noh im Vordergrunde ftand, das erwies draftiih eine Äußerung des 
Admirals Hollmann in einer Verſammlung des Flottenvereins, in welcher 
die Notwendigkeit größerer und ſtärkerer Schiffe betont worden war, und 
die lautete: „Ein Schiff ift ein Schiff.‘ Sie erregte allerdings die ver- 
diente „Heiterkeit“, konnte aber do< als Beweis dafür gelten, daß gerade 
in Kreiſen, die dem Kaiſer naheſtanden, die „Nur-Nautiker““ vertreten waren. 
Über die Geſchichte der Kaiſer-Depeſche läßt ſi< nur ſagen, daß hierbei 
rihtige Kuliſſenarbeit geleiſtet worden war. Der erſte Vizepräſident des 
Flottenvereins und 1. Vorſißende des Bayeriſchen Landesverbandes, Fr e i - 
herr v. Würkburg, beſaß großen perſönlihen Ehrgeiz und glaubte, 
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