Natürlich glaubte jeder anſtändige Deutſche, daß das Gericht die Ge-
legenheit benüßen würde, um die ſ{hamloſe Heß- und Wühlarbeit jener
Sranzöslinge zu kennzeihnen. Aber das Gegenteil geſhah! Das Schöffen-
geriht in Colmar verurteilte mich wegen Beleidigung zu 200 Mark Geld-
ſtrafe, erfaßweile zu 20 Tagen Haft, Tragen der Koſten und Ver-
öffentlihung des Urteils im „Tag“ ſowie der „Straßburger Poſt‘.
Natürlich legte ih ſofort Berufung ein gegen di e ſes Urteil, und die
Strafkammer in Colmar entſchied, „daß eine Strafe von 30 Mark be-
ziehungsweiſe 3 Tagen Haft als genügend anzuſehen ſei.“ In der Be-
gründung war ausgeführt: „Beim Strafmaß ſei die Perſönlichkeit des
Klägers (Wetterlé und Genoſſen) zu berüſihtigen geweſen. Hier ſtehe
feſt, daß die ganze Art und Weiſe ihres Verhaltens wie ihrer Preſſe, ins-
beſondere das Verhalten Wetterlés nihts weniger als einwandfrei ſei. Es
verleße die Gefühle jedes anſtändig und: loyal denkenden Altdeutſhen und
Alt-Elſäſſers, es rufe überall Befremden und Entrüſtung hervor und
fordere zur ſcharfen Abwehr geradezu heraus. Deshalb wurden dem Be-
flagten mildernde Umſtände zugebilligt.“ Dieſes Urteil bedeutete alſo eine
Art Ehrenerklärung für mich, aber troßdem blieb ih der Verurteilte „von
Rechts wegen“. Da ich dieſe Art von Rechtſprehung nicht begriff, denn ſie
widerſpriht fih ſelbſt, ſo legte ich hiergegen Neviſion ein. Dieſe
wurde jedoch von der betreffenden Juſtanz „ausgeſeßt“', da ih inzwiſchen
zum Heeresdienſt einberufen worden ſei. Auch das begriff ih nicht, zumal
inzwiſchen Herr Wetterlé wegen „„Landes- und Hochverrats“! in contumaciam
zum Tode verurteilt worden war. Aus der Wiederaufnahme des Ver-
fahrens gegen dieſen „Ehrenmann““ — dieſen Beinamen erhielt er bei den
Verhandlungen des Colmarer Schöffengerihtes — wurde jedo< nichts.
Warum? Weil die Kaiſerlihe Regierung in Straßburg ein ſolches ab-
lehnte mit der Begründung, ih ſei dur< die Amneſtie-Verordnung vom
Herbſt 1914 meiner Beſtrafung enthoben und damit die Angelegenheit
erledigt. Es bleibt demnach dabei, daß ih ein „Beſtrafter““ war und der
Ankläger, der Landesverräter Wetterle, das mit Net behaupten kann.
Für eine ſolche Art „„Juſtiz““ oder Anwendung von Geſetzen fehlt mir aller-
dings jedes Verſtändnis, denn der. fittlihe Boden der Rechtsbegriffe
wird dadurch vollkommen zerſtört. Auch behaupte ih, daß ſolcher juriſtiſcher
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