Full text: Erlebtes und Erstrebtes

  
  
  
  
  
  
  
Besfidenforps geworden, ſpäter beim XIX. Reſervekorps. Jedenfalls 
konnte ih ſtolz ſein auf die drei Söhne, die in den verſchiedenſten Stellungen 
und auf den verſchiedenſten Kriegsſhaupläßen ſi<h ausgezeichnet hatten. Daß 
ih aber nunmehr „Zuſchauer“ geworden war, ſhmerzte mi<. Das alte 
Soldatenblut machte ſih eben troß der hohen Jahre geltend. 
Nach der Frühjahrsoffenſive mit ihrem nur halben Erfolge mehrten 
fih die Anzeichen, daß troß der beiſpielloſen Leiſtungen unſerer Truppen 
nunmehr ein Nüdfchlag nicht ausgeſhloſſen ſei, zumal es den Tieferblicken- 
den ſchon lange kein Geheimnis blieb, daß bei dieſer Kriegspolitik der 
Enderfolg ernſtli< in Frage geſtellt ſei. Schon Cicero tat den Ausſpruch: 
„Das Heer kann im Felde nihts Entſcheidendes aus- 
rihten, wennzu Hauſeſhle<hter Ratherrſcht. Solcher 
ſ<le<ter Rat hatte bei uns ſchon vor dem Kriege geherrſht und herrſchte 
weiter im Kriege. Da es unbedingt richtig iſ, „daß Krieg die Fort- 
ſebung der Politik mit gewaltſamen Mitteln iſt‘““, ſo darf dabei nicht über- 
ſehen werden, daß wir eine klare, zielſichere, tatkräftige Politik ſeit Jahren 
gar nicht kannten — alſo mußte auh ihre Fortſezung demgemäß ausfallen. 
Das heißt, das Heer blieb ohne eigentlihes Kriegsziel, in der 
Heimat wurde der Kriegsmwillen nicht gefehlirt und geſtärkt, ſondern 
im Gegenteil gelähmt. Unſere Feinde dagegen ſtärkten den Kriegswillen 
mit allen Mitteln, und wer das nicht mitmachte, wurde einfah an die 
Wand geſtellt! 
Unſere \{wächli<e und deshalb verderbliche Politik fand dagegen 
dauernd Rückhalt am Reichstage. Es brgucht nur an die unſelige Friedens- 
reſolution vom Sommer 1917 erinnert zu werden, die ſelbſt ein Prinz Marx 
von Baden ſeinerzeit „ein übles Erzeugnis von Angſt und Berliner Hunds- 
tagshißze‘“ genannt hatte. Da trieben doh die „demokratiſch -orientierten““ 
Feindſtaaten eine ganz andere Politik. Die Clemenceau, Lloyd George, 
Wilſon übten die uneingeſhränkte Diktatur aus, während bei uns ein 
„|bgeklärter‘““ Parlamentarismus die Zügel führte, oder richtiger fie am 
Boden ſchleifen ließ. 
Nicht umſonſt hatte ſhon im Sommer 1917, als die militäriſche Lage 
für die Entente "bedenklich ‘ausſah, Lord’ Cecil geäußert: „Im Felde 
fönnen wir die Deutfhen niht befiegen, aber: wir 
rechnen aufden deutfhen NReihstag.” 
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