Nach vier Wochen kehrte ih na< Mainz zurü>, um dort Adjutant des
IT. Bataillons zu werden, eine Stelle, die ih fhon von März bis Mai be-
Fleidet hatte.
Mit Bingen i} die wertvollſte Erinnerung meines bürgerlichen Lebens
inſofern verknüpft, als ih dort meine Frau kennen lernte; ſie wurde ſpäter
der Mittelpunkt des Familienkreiſes.
Die Garniſon Mainz wurde am 7. September 1871 aguf dem Schloß-
plage von Seiner Majeſtät dem Kaiſer beſichtigt. Es war das zum erſten
Male, daß das Regiment die Ehréè hatte, vor dem deutſhen Kaiſer zu er-
ſcheinen, der in ſeiner leutſeligen, ritterlihen Weife bei dieſer erſten
Kaiſerparade an die Truppen warme Worte des Lobes für ihre Leiſtungen
im Kriege richtete. Aber nicht allein den deutſchen Kaiſer, ſondern auch
den oberſten Kriegsherrn im Kriege wie im Frieden ſollten vom 1. Januar
1872 ab die heſſiſhen Truppen in Seiner Majeſtät erbli>en, da inzwiſchen
eine Militärkonvention mit Preußen abgeſchloſſen worden war, derzufolge
die Hefliiche Divifion als ,‚25te” in den Verband der Preußiſchen Armee
übertrat. Mein Negiment erhielt hierbei die Bezeichnung „4. Großherzog-
fih Heffiihes Infonterie-Megiment (Prinz Karl) Nr. 118”.
Am 1. Oktober 1872 rücte das II. Bataillon nach feiner neuen Gar-
niſon Worms ab, wo ſpäter das ganze Regiment vereinigt wurde.
In Worms konnte ih Familienerinnerungen aufnehmen, da niht nur mein
Großvater mütterliher Seite als Kommandeur des Leibregiments, ſondern
auh zwei nahe Verwandte, ebenfalls als Regimentskommandeure, dort in
Garniſon geſtanden hatten. Ein dritter Verwandter, Dekan Keim in
Worms, war der Begründer des Luther-Vereins, der das Luther-Denkmal
hatte errihten laſſen. Zur Einweihung dieſes Denkmals im Jahre 1868
hatten ſi< zahlreiche proteſtantiſhe Fürſten eingefunden, an ihrer Spike
König Wilhelm I. von Preußen. Vei der Feſtpredigt auf dem Lutherplak,
die mein Onkel hielt — ſie mag wohl etwas lang geraten ſein aus Freude
über das endlih gelungene, mühevolle Werk — unterbrah ein Zuhörer
die Predigt mit dem Zurufe „Schluß!‘/, worauf der alte Herr von der Kanzel
herab zornig rief: „Welcher ungezogene Menſh wagt es, die Predigt zu
ſtören?!’ was natürli einiges Aufſehen erregte. Als nachher der König
dem Dekan einen hohen Orden überreichte, ſagte er: „Mein lieber Herr
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