Als Süddeutſcher mußte ih mic erſt an die etwas jchwerfällige Art
meiner Untergebenen gewöhnen. cd lernte aber bald die Zuverläſſigkeit
und Pflichttreue der Söhne der „roten Erde” \<häßen, und die Kom-
pagniechefzeit zählt mit zu meinen fchönften Erinnerungen. Der Dienft-
betrieb war damals noch nicht jo „intenſiv“, wie er ſi< ſpäter entwidelte.
Der Formalismus, felbft bei der Gefechtsform, herrſ<hte no< vor. Es
gab no< „3. Glied“, „Karrées‘’ und ſo manches andere, was eigentlich
nad den Erfahrungen des Krieges 1870/71 „taktiſ<“ niht mehr zu recht-
fertigen wor. Man Fonnte fi „‚oben” niht dazu entſchließen, das „alte“
Ererzierreglement, unter deſſen Geltung fiegreihe Feldzüge ſtattgefunden,
gründlih umzugeſtalten. Das Feſthalten an der ‚‚Iradition” fpielt un-
ſtreitig im Heere eine große Rolle, aber es darf fi niht auf techniſche
und taktiſhe Dinge erſtre>en. Schon Napoleon 1. ſagte, „man muß ſeine
Taktik alle 10 Jahre ändern.“
So erlebte i< zum Veiſpiel no< im Jahre 1880 die Beſichtigung
einer Kompagnie im Gefecht durd den kommandierenden General Graf
Stollberg auf dem Neumarkt in Köln, der 150 Meter lang und 100 Meter
breit war!
Die SKarnevalszeit bedeutete in Köln den Höhepunkt fröhlichen
Treibens, und felbft die Strenge des militärischen Dienſtes mußte ihr Zu-
geftändniffe machen. Drei Tage lang ruhte der Dienſt, und bei dem großen
Feſtzuge des Prinzen Karneval zogen „Königliche“ Pferde der Feld-
artillerie ſowie der Deußger Küraſſiere die geſ<hmü>ten Wagen.
Der Dienſt als Kompagniechef ließ mir in den Wintermonaten noch
ſoviel Zeit, um die Geſchichte meines alten Regiments fertigzuſtellen. Sie
erſhien 1879 als „Geſchihte des 4. Großherzoglih Heſſiſhen Jnfanterie-
Regiments (Prinz Karl) Mr. 118 und feiner Stämme, 1699 — 1878”.
Ihre nicht ganz müheloſe Herſtellung bereitete mir Freude und auch eine
gewiſſe Genugtuung, weil es die erſte ausführliche heſſiſhe Regiments-
geſhihte war, die auf archivaliſhen Studien beruhte, ſoweit die älteren
Zeiten in Betracht kamen. Auch an der Fertigſtellung einer Geſchichte
des I. Weſtfäliſhen Jnfanterie-Regiments Nr. 16 beteiligte i< mi< und
bearbeitete in ihr den Abſchnitt 1817 — 1866 ſowie die Lebensbeſchreibung des
Prinzen Ludwig von Heſſen-Homburg, unter deſſen Befehl das Regiment
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