dium eines ſehr umfangreihen Aktenmaterials erklärte ih dem
Reichskanzler meine Bereitwilligkeit, den ins Auge gefaßten Poſten
anzunehmen. Als Vorausſeßkung jedo< müßte i< zur Sprache bringen,
daß er feine bisherige Stellung zur Preſſe ändere. Der Reichskanzler
hatte nämlich früher öffentlich erklärt, daß er fih nur auf die halbamtliche
‚Morddeutiche Allgemeine Zeitung” ftügen und ohne eine ‚nipirierte‘’ Preffe
ausfommen wolle. Das war an und für ſi< {hon keine weitbli>ende Auf-
faſſung, aber angeſichts des unzweifelhaft vorauszuſeßenden politiſchen
Kampfes um die Heeresreform jedenfalls nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Fürſt Bismar> hatte zwar die politiſche Bedeutung der Preſſe mit den be-
kannten Worten: „Zeitungen beſtehen aus Papier und Druerſhwärze!“/
anſcheinend gering eingeſhäßt, aber do< nur „anſcheinend“. Erſtens bezog
fi jene Äußerung auf deutfchfeindliche ruſſiſhe Zeitungsftimmen, denen er
die anders geartete Auffaſſung des Zaren entgegenſeßte, was mit Rückſicht
auf die autofratiihen Neigungen des Zaren einen ſehr geſchi>ten Schach-
zug bedeutete; zweitens hat es der Fürft doch ftets ausgezeichnet verftanden,
‚auf dem Klavier der Preſſe zu fpielen’‘, wobei die Zinſen des beſchlag-
nahmten Welfenfonds ſehr zu ſtatten kamen.
Graf Caprivi mußte \hließli< au< zugeben, daß er ſelbſt z. B. die
„Kölnische Zeitung‘ in leßter Zeit — wie mir bekannnt geworden war —
zu „Informationen““ der öffentlihen Meinung benußt habe.
Ich erhielt alſo freie Hand in Preſſeangelegenheiten, zumal die Mittel
für die jeßt einſeßende publiziftiihe Propaganda niht aus dem Staats-
ſä>el floſſen. Die Summe, die hierfür amtlich zur Verfügung ſtand, mußte
als geradezu lächerlih gering gelten, da der Welfenfonds inzwiſhen dem
ehemaligen hannoverſhen Königshauſe ausgeliefert worden war. Es ge-
lang mir jedo< mit Hilfe patriotiſh geſinnter Männer, einen größeren Be-
trag zuſammenzubringen, der bei einem Geſchäftshauſe hinterlegt wurde, und
der namentlich bei der Verbreitung von Aufflärungsfchriften nach der
ſpäteren Reichstagsauflöſung ſehr nüßlihe Dienſte leiſtete.
Ehe ih in der Schilderung der Tätigkeit während jener Zeit, die mic
in nahe Beziehungen zum Grafen Caprivi brachte, fortfahre, halte ich es
für angebracht, von der Perſönlichkeit des leßteren in knappen Strichen ein
Bild zu geben im Rahmen vollkommener „Vorausſeßungsloſigkeit‘. Wenn
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