Full text: Erlebtes und Erstrebtes

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mußte, lag klar zutage. ch habe über diefe Angelegenheit mit dem Grafen 
Caprivi geſprochen und dabei meine oben wiedergegebene Auffaſſung „ohne 
Schminke” zum Ausdru> gebraht. Der Graf widerſpra< nicht, und ich 
habe aus dem ganzen Gange der Unterhaltung den Eindru> gewonnen, als 
ob er nicht die treibende Kraft bei jenem unklugen Schritte geweſen ſei. 
Deshalb erachte ih auch die gegenteilige Auffaſſung des Herrn Dr. Hammann 
in ſeinem bereits erwähnten, vielfah ſehr wertvollen Buche in dieſer An- 
gelegenheit niht für zutreffend. Aber gleichviel, jener bedauerliche Schritt 
geſchah jedenfalls unter Zuſtimmung des Reichskanzlers, und deshalb blieb 
er für ihn verantwortli<h. Wenn übrigens Herr Hammann in ſeinem Buche 
in liebenswürdiger Weiſe ſhreibt S. 72: „Jm oberen Sto>werk des rechten 
Slügels des NReichskanzlerhauſes hatte der zur Reichskanzlei kommandierte 
Major Keim ſein Quartier aufgeſchlagen und übte mit wahrem Bienenfleiß | 
und unermüdlicher Zuverſicht in das Gelingen des Werkes eine fruchtbare | 
Propagandatätigkeit aus.“ ſo iſ das inſofern ein Irrtum, als“ ih in und 
mit der Reichskanzlei gar nichts zu tun hatte. Sie war lediglih Erpe- 
dierungsftelle meines Briefwechſels mit allen möglichen Dienſtſtellen und 
politiſhen Perſönlichkeiten. Der damalige Chef der Reichskanzlei beſaß im 
Gegenſaß zu ſeinen Vorgängern gar keine politiſhe Ader. Der Reichs- 
kanzler hatte ihn in Hinſicht auf die abzuſchließenden Handelsverträge an 
die Spive der Reichskanzlei berufen, der bis dahin die Stelle eines vor- 
tragenden Rates in der handelspolitiſhen Abteilung des Auswärtigen 
Amtes bekleidete. Eine politiſhe Stüße beſaß der Reichskanzler in dieſem 
ſonſt höchſt ehrenwerten Manne in keiner Weiſe. 
Auch ſonſt fehlte es an zuverläſſigen „Stüten““ bei dem bevorſtehen- 
den militärpolitiſhen Feldzuge. Der Kriegsminiſter v. Kaltenborn war, un - 
es deutli<h auszudrü>en, im Parlament ein vollkommener Verſager. Er 
hat dort nur einmal geſprochen und ohne jede Wirkung. Die Heeresreform 
jelbft war in ihren Grundlagen das eigenſte Werk des Grafen Caprivi, 
und was ihren {wächſten Punkt angeht, die Schaffung der vierten (Halb-) 
Bataillone, ſo hat er im Reichstage ſelb| erklärt: „Jch bin niht der Vater 
dieſes Gedankens (er ging vom Kriegsminiſterium aus), aber id 
akzeptiere ihn.“ 
Die einflußrei<ſten Miniſter, Graf Eulenburg und Miquel, ſtanden 
der Heeresreform ebenſo kühl gegenüber wie dem Reichskanzler perſönlich; 
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