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Ernährungswirtschaft, Ernährungswissenschaft und Eiweißproblem. 85
Nahrungsmittel zu verwenden, welche den Kalorienbedarf bei Muskelarbeit
sichern, dabei aber auch ein leicht verdauliches Eiweiß enthalten, schmackhaft
und auch billig sind. Es sind das eine große Reihe von Forderungen, die alle
zu erfüllen kaum möglich scheint. Dies ist mit den verschiedensten Nahrungs-
mitteln (Erbswurst, Suppenwürfel, Trockenfrüchte, Nüsse, Konserven usw.)
vergeblich versucht worden. Sie vermögen die Ansprüche, welche das Wan-
dern (zu Fuß, zu Rad, auf dem Wasser, im Gebirge, beim Skilauf) stellen muß,
nur zu einem Teil zu erfüllen. Eine vollständige Lösung bringen nun tat-
sächlich die Getreideerzeugnisse, Teigwaren und Suppenwürfel mit Milcheiweiß.
Besonders die Haferflocken weisen dabei noch den Vorteil auf, daß man sie roh,
kalt gequollen (z. B. in der Form des Bircher-Benner-Müsli) oder warm ge-
kocht verwenden kann. Sie ermöglichen damit eine vollwertige Ernährung
in allen Lagen, die das Wandern oder der Marsch bieten können. Auch hier
ist das Ideal das ‚‚Bratlingspulver der Wehrmacht“.
Bei dem großen Heer von Aufbrauchschäden, wie wir sie im heutigen
Berufsleben und auch im Sport (Übertraining) kennen, liegt die Ursache in
einer Übersteigerung des Spannungszustandes, die sich besonders in einer stän-
digen Krampfbereitschaft der vom vegetativen Nervensystem regulierten
Gefäßperipherie sowie der abhängigen Organe auswirkt. Im besonderen Maße
ist davon der Verdauungsapparat betroffen sowie der Gesamtstoffwechsel (so
besonders auch die Nahrungsausnutzung). Eine erhebliche Fehlleitung des
Verdauungsvorganges gerade für Kohlehydrate wirkt sich am augenfälligsten
aus (Gärungen usw.). Die Behandlung dieser Zustände muß sowohl den starken
Energieverlust besonders an Mineralien (Kalk-, Phosphatausschwemmung)
ausgleichen, wie aber auch die sehr lästigen Symptome (Verdauung, Kreislauf)
beseitigen. Die übererregbaren, hochempfindlichen Patienten leiden in ihrer
psychischen Labilität hierunter, und in Abhängigkeit davon leidet auch die
Leistung außerordentlich. Da eine Unterbrechung der Belastung (Sport,
Beruf) meist nicht in Frage kommt, sich sogar erfahrungsgemäß nachteilig
auswirkt, muß die Behandlung auch weiterhin eine gewisse Leistung zu sichern
suchen. Eine Umstellung ausschließlich auf vegetarische Kost ist deswegen
nicht angebracht, reine Eiweißernährung aus Fleisch aus allgemeinen biolo-
gischen Gründen ebensowenig, auch schon weil es für breite Kreise der arbei-
tenden Bevölkerung ein viel zu teures ‚Medikament‘ ist!).
Die durch die Milch eingeführten Kalk- bzw. Phosphatpräparate lassen
sich aber teilweise durch das Milcheiweiß mit seinem Gehalt an biologisch
hochwertigem Eiweiß ersetzen, das gut ausgenutzt wird und Mineralien im
1) Die verschiedenen Erhebungen über die Haushaltrechnung in Arbeiter-, An-
gestellten- und Arbeitslosenfamilien haben in Deutschland wie im Ausland er-
geben, daß die Minderbemittelten zu wenig Eiweiß, auf alle Fälle zu wenig vom
vollwertigen Eiweiß durch die übliche Ernährungszusammenstellung erhalten.
Nach Bickel und McCollum soll von dem Eiweißoptimum von 90 g die Hälfte
hochwertig sein. Wird diese Menge zu gleichen Teilen aus Eiern, Fleisch und Käse
gedeckt, so kostet das nach heutigen Preisen 33 Rpf., für eine fünfköpfige Familie
in der Woche 11.50 RM. Diese einfache Rechnung beweist die Unmöglichkeiten
einer solchen Ernährungszusammenstellung ohne weiteres. So werden also über-
wiegend Nahrungsmittel verzehrt, die zwar das Gefühl der Füllung hervorrufen
(wobei in Laienkreisen immer wieder Vollsein mit Sattsein verwechselt wird), aber
biologisch keinen vollen Nährwert besitzen (Brot, Kartoffeln, Hülsenfrüchte).
Die Deckung des Bedarfes an hochwertigem Eiweiß durch Milcheiweiß (durch
Sauermilchkäse, Quark, Milcheiweiß) würde für dieselbe Familie im gleichen
Zeitraum nur 4.22 RM. beanspruchen. Ein Betrag, der fast immer aufgewandt
werden kann.
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