Full text: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung

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Rohstoff ‚Hefe‘. 175 
abbauender Enzyme, das muß die Zukunft lehren. Jedenfalls empfehlen 
verschiedene Kliniker mit gutem Grund Zuckerkranken getrocknete Hefe als 
ständiges Diabetikum. 
Außer diesen genannten Zellreagenzien enthält die Hefe noch eine große 
Anzahl von physiologisch wertvollen Stoffen, deren Untersuchung aber noch 
nicht abgeschlossen ist. Bei einigen Substanzen stehen wir unmittelbar vor 
der Lösung des Rätsels. So ist ein sehr wirksamer Bestandteil der Hefe- 
nukleinsäure die Adenylsäure, die auf den menschlichen Organismus blutdruck- 
senkend wirkt. Auch hat man in jüngster Zeit den Wachstumsfaktor Auxin 
isolieren können, dessen Studium uns in reinem Zustande noch manches Ge- 
heimnis aufdecken wird. Das Glutathion erwähnten wir auch schon, das bei 
wichtigen Oxydoreduktionen je nach den vorliegenden Verhältnissen entweder 
Wasserstoff oder Sauerstoff aufnehmen kann. Auch proteolytische Prozesse 
wurden von ihm beeinflußt. 
Sicher ist, daß bei Verabreichung von Hefe ein ganzer Komplex von Stoffen 
seine Tätigkeit entfaltet, wodurch eine Heilwirkung oder Linderung der ver- 
schiedensten Krankheiten möglich ist. Darum wurde die Hefe schon von alters 
her als Volksheilmittel vielseitig verwendet. Wenn wir uns auch daran er- 
innern, daß in manchen z. B. sehr vorsichtig getrockneten Hefepräparaten die 
verschiedensten Enzyme noch aktiv tätig sind, so kann auch dadurch der Stoff- 
wechsel der Tiere und des Menschen wesentlich beeinflußt werden. Schon früh- 
zeitig erkannte man die „reinigende‘‘ Wirkung auf die Verdauung — Bekämp- 
fung der Fäulnisvorgänge im Darm —, und schon seit langem wird Furunkulose 
mit Erfolg behandelt. Es ist hier nicht der Ort, alle klinischen Erfolge der Hefe- 
kuren aufzuführen. Erwähnt seien nur noch die Bemühungen zur Bekämpfung 
gewisser Hautleiden. Mancher Patient hat hier durch Hefe Linderung erfahren, 
aber leider konnte ein endgültiger Erfolg weder bei diesen Krankheiten noch 
bei vielen anderen erzielt werden. Man darf indessen von einem Präparat auch 
nicht zuviel verlangen, namentlich in Anbetracht der Tatsache, daß die Auf- 
klärung vieler Krankheiten und der spezifischen Heilmittel erst noch im 
Gange ist (nach Weitzel und Wincke)). 
Die Zufügung eines ‚‚Heilkomplexes‘ wie der Hefe bringt auch die Gefahr 
mit sich, daß die günstige Wirkung eines Stoffes von einem zweiten gleichzeitig 
vorhandenen Stoff wieder aufgehoben werden kann. Vielleicht läßt sich hier- 
durch der Widerspruch bei manchen Hefekuren erklären, noch dazu, wenn man 
bedenkt, daß nicht alle Hefen gleichmäßig zusammengesetzt sind. Einmal 
wirkt der Gegenkörper heftig, das andere Mal fehlt er vielleicht in der Hefe. 
Bekannt ist, daß kleine Mengen Vitamin B relativ große Dosen Vitamin D ab- 
schwächen können. Vielleicht führt die Isolierung bestimmter Hefebestand- 
teile und eine ganz bestimmte Kombination mit anderen Stoffen zu besseren 
Zielen als die Verwendung des ganzen Komplexes mit Körpern und Gegen- 
körpern. Jedenfalls ist heute die Hefetherapie noch in der Entwicklung be- 
griffen, und wir müssen abwarten, welche Richtung sie einschlagen wird. Es 
ist anzunehmen, daß die Hefe noch für eine Anzahl wichtiger Stoffe der moder- 
nen Heilkunde eine Fundquelle sein wird!). 
In dem erstmaligen Versuch, für den Arzt die Vitamine zu Heilzwecken zu 
verwenden und diese Verwendung für die Praxis umfassend darzustellen, haben 
Stepp-Kühnau-Schroeder?) auch der Hefe einen weiten Platz eingeräumt. 
ı) Weitzel-Winckel, Die Hefe. (Berlin 1930.) 
?) Stepp-Kühnau-Schroeder, Die Vitamine und ihre klinische Anwendung. 
4. Aufl. (Stuttgart 1939.) 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
	        
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