308 Pflanzliche Rohstoffprobleme.
Füllung des Magens und zur Sättigung der Tiere dient. Durch den mechani-
schen Reiz, den die Rauhfutterstoffe ausüben, sind sie für die Darmperistaltik
von Bedeutung. Für Rind und Schaf sind sie unentbehrlich, da durch sie der
Akt des Wiederkauens mit angeregt wird. Die stickstoffreien Extraktstoffe
bilden einen Hauptbestandteil des Strohes. Auch die Rohfaser selbst bildet
keine einheitliche Substanz, sondern stellt ein Gemenge von Zellulose, inkru-
stierenden Substanzen und Pentosanen dar. Hinsichtlich der Futterwerte
macht man bei den Getreidearten einen Unterschied zwischen Sommer- und
Winterhalmstroh; ersteres ist verdaulicher als letzteres. Starke Stickstoffdün-
gung bedingt einen höheren Gehalt des Strohes an Protein. Infolge des Anbaues
hochgezüchteter Getreidesorten und der Einführung der Drill- und Hackkultur
ist der Futterwert des Getreidestrohes zurückgegangen. Am besten von allen
Getreidesorten ist das Haferstroh zur Verfütterung geeignet. Doch auch Sommer-
weizenstroh wird gern verfüttert und gilt besonders als Nebenfutter für Pferde,
während Gerstenstroh mehr in der Rindviehhaltung verwandt wird.
b) Wertverbesserung durch Strohaufschließung.
Das Bemühen, die Rohfaser in Stroh und Holz aufzuschließen, ist nicht
jung, und immer wieder ist das alte Problem diskutiert worden, diese ungeheuren
Energievorräte, welche uns durch die Rohfaser der Pflanzenwelt geboten
werden, durch technische Verfahren zu erschließen und der tierischen oder der
menschlichen Ernährung dienstbar zu machen. Die hierzu notwendigen
mechanischen und chemischen Maßnahmen verursachen noch große Kosten
und doch müssen wir das Ziel erreichen. Wir brauchen dabei nicht immer
an Zeiten der Not zu denken, wenn wir diese unermeßlichen Energiequellen und
Nahrungsreserven mobilisieren wollen, zumal in neuester Zeit — besonders auch
durch kolloidchemische Verfahren — aus dem Stroh Futterstoffe gewonnen
werden, deren Rohfaserverdaulichkeit nach Mangold erheblich gesteigert war
und der Verdaulichkeit anderer pflanzlicher Futtermittel gleichkommt.
Es sollen hier nicht historisch alle die Versuche geschildert werden, welche
den Zweck hatten, die Nährstoffe durch chemische oder physikalische Behand-
lung des Rohmaterials dem tierischen Organismus zugängig zu machen, sei es
bei der Aufschließung von Reisigfutter durch Zusatz von malz- und stärkemehl-
haltigen Futterstoffen auf dem Wege der Selbsterhitzung und Vergärung, oder
die Versuche, Fichtenholzmehl zu vergären oder Birkenholzmehl aufzuschließen,
denn alle diese Substanzen erwiesen sich als wenig verdaulich oder beeinflußten
die Verdaulichkeit des Grundfutters. Gewöhnliches Holzmehlist eben kein Futter-
stoff und bedarf scharfer Eingriffe, ehe seine in ihm enthaltenen Nährstoffe der
Verdauung durch den tierischen Organismus zugängig gemacht werden können.
Nach Honcamp wird erst dann eine höhere Verwertung der im Stroh und
unter Umständen auch im Holz vorhandenen Nährstoffe zu erwarten sein, wenn
letztere aus ihren Verbindungen mit den Inkrusten gelöst oder wenigstens ge-
lockert werden. Es schienen hierfür Verfahren der Papierindustrie geeignet:
Stroh wird unter Druck mit Natronlauge erhitzt. Man hat später das Ver-
‘fahren abgeändert dadurch, daß die Aufschließung im Autoklaven unter An-
wendung von Druck erfolgt. Die Aufschließung von pflanzlichen Rohstoffen
mit Hilfe von Salzsäure hat zu keinen brauchbaren Ergebnissen geführt. Ver-
mutlich wirken die wirkungsvolleren Alkalien so auf das Stroh, daß sie in sehr
kurzer Zeit die Bindung sprengen, welche zwischen den Ligninsubstanzen und
der Zellulose bestehen, wodurch das ganze Faser- und Zellengefüge eine derartige
Lockerung erfährt, daß die zelluloselösenden Bakterien in eine unmittelbare Be-