Full text: Rohstoff-Fragen der deutschen Volksernährung

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Ernährungswirtschaft, Ernährungswissenschaft und Eiweißproblem. 75 
den Verzehr von Pflanzenkost in beliebiger Richtung zu steigern, da das durch 
Minderung des Fleischverzehrs gestörte Gleichgewicht zwischen Eiweiß- und 
Kalorienaufnahme auf diese Weise nicht wieder hergestellt werden könnte. Es 
bleiben vielmehr nur zwei Wege übrig, dieses Gleichgewicht wieder zu er- 
reichen: 1. Einschränkung eiweißarmer Kalorienträger in der Kost zugunsten 
ausgeglichener pflanzlicher Nahrungsmittel; 2. Steigerung des Verzehrs hoch- 
konzentrierter pflanzlicher Eiweißträger. Beide Möglichkeiten lassen verschie- 
dene Lösungen zu, und es wird auch am zweckmäfßigsten sein, diese zu kom- 
binieren. Aus der Fülle der Lösungsmöglichkeit seien im Folgenden drei der 
wichtigsten betrachtet. 
Um den Verzehr von Pflanzeneiweiß zu steigern, kann man den Brotverzehr 
zugunsten des Kartoffel- und Fettverzehrs vermehren. Kartoffeln enthalten 
nur wenig Eiweiß (2%) und haben einen verhältnismäßig hohen Kalorienwert 
(960 je Kilogramm). Beim Verzehr von Kartoffeln nehmen wir daher nicht 
ganz 20 g Eiweiß je 1000 Kalorien zu uns, während die entsprechende Menge 
27—33 g Eiweiß sein sollte. Wir müssen daher normalerweise unseren Kar- 
toffelverzehr durch Verzehr hocheiweißhaltiger Speisen, wie insbesondere 
Fleisch, ergänzen. Noch ungünstiger liegen die Verhältnisse beim Verzehr 
reiner Fettstoffe. Diese enthalten je Kilogramm 7800—9200 Kalorien, doch 
keine nennenswerten Eiweißmengen. Brot hingegen ist ein sehr ausgeglichenes 
Nahrungsmittel. Roggenbrot enthält durchschnittlich 28 g Eiweiß auf 1000 Ka- 
lorien. Brotverzehr erfordert also im wesentlichen keine besonders eiweißreiche 
Ergänzungsnahrung mehr. Allerdings spielt hier die Wertigkeit des Eiweißes 
noch eine gewisse Rolle. Wird jedoch minderwertiges Eiweiß durch anderes 
hochwertiges in der Nahrung — und zwar innerhalb recht weiter Grenzen — 
ergänzt, so wird auch minderwertiges Eiweiß sehr gut ausgenutzt. Da es sich 
bei unseren Betrachtungen ja nicht darum handelt, das hochwertige tierische 
Eiweiß ganz aus unserer Nahrung zu verdrängen, sondern nur gewisse Spitzen 
abzubauen, ist die Frage nach der Wertigkeit des für diese Nahrungsspitze 
eintretenden Pflanzeneiweißes bedeutungslos. 
Tatsächlich ist erhöhter Brotverzehr mit geringerem Kartoffelverzehr ver- 
knüpft, ebenso mit geringerem Fleischverzehr. Dies beweist am besten die 
Umschichtung unserer Volksernährung in den letzten 100 Jahren. In diesem 
Zeitraum trat immer mehr die Kartoffel an Stelle von Brot, und der Fleisch- 
verbrauch stieg dementsprechend. Später — und zwar erst in den letzten 
Jahrzehnten — stieg wiederum der Fettverzehr und demgemäß der Fleisch- 
verzehr, ebenfalls bei Rückgang des Brotverzehrs, eine Entwicklung, der man 
heute möglichst Einhalt tun, ja sie rückläufig beeinflussen möchte. Stieg doch, 
wie vorher schon erwähnt, der Fleischverzehr innerhalb der letzten 100 Jahre 
stellenweise von 25—30 kg auf über 50 kg je Kopf und Jahr und der Fettver- 
zehr gegenüber der Vorkriegszeit von 16 auf 21 kg. Der Brotverzehr ging aber 
außerordentlich zurück. Wahrscheinlich betrug er vor 100 Jahren noch 700 bis 
800 g je Kopf und Tag, vor dem Kriege noch über 400 g und ist jetzt in Städten 
auf 200 g gefallen. Wenn auch durch die sehr hohe Stärkeerträge je Hektar 
liefernde Kartoffel der deutsche Kalorienhaushalt bei dem starken Wachstum 
der Bevölkerung in den letzten 100 Jahren erst sichergestellt werden konnte, 
ist doch durch die Minderung des Brotverzehrs in volkswirtschaftlicher Be- 
ziehung die deutsche Ernährung sehr ungünstig beeinflußt worden. Man kann 
hierbei feststellen, daß sich die Soldatenernährung mit ihrer Tagesportion von 
150 g Brot wirtschaftlich sehr günstig gestaltet hat. Leider erkannte man auch 
im Weltkriege nicht die Wichtigkeit eines erhöhten Brotverzehrs. Die Kopf- 
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