104 Im Feſſelballon.
die den Hebel umſpannt hält, und der Ballon geht in die Höhe,
langſam zuerſt, dann ſchneller und ſchneller. Durch das geöffnete
Steuerſa>maul fährt der Wind in den Steuerſa> — den kleinen
Wurm, der an dem großen Wurm hängt — und reißt den Ballon
in ſeine Richtung. Der Steuerſa> knattert wie ein loſes Segel
im Sturm; plaßt er, dann ſchießt der Feſſelballon wie ein Papier-
drache, dem der Schwanz abgeriſſen iſt, kopfüber — und man kommt
„in beſchleunigter Gangart“ zur Erde, wie ein Flugzeugführer,
dem in 500 Meter Höhe das Steuer abgeflogen iſt.
Der Beobachtungsoffizier hat ſih feſt in ſeinen Mantel ge-
wid>elt und ſich mit dem Gurt aus Segeltuch, der an einem eiſernen
Ring im Boden des Korbes verankert iſt, angebunden, um nicht
hinauszufliegen. Der Wind treibt ihm das Waſſer in die Augen
— und doch kann man nur ſeine Augen gebrauchen, da man mit
dem Fernglaſe bei den tollen Schwankungen des Ballons nichts
fixieren kann. Schon ſind 1000 Meter Kabel abgeſchnurrt, aber
es ſteht ſo ſchräg, daß der Ballon ſelbſt nur 620 Meter über der Erde
ſich befindet. Oder 640? Oder 610? Man verſteht es gar nicht,
daß das Barometer innerhalb weniger Augenblide ſo verſchiedene
Höhen angeben kann, bis man merkt, was los iſt: daß der Ballon
nämlich rund 30 Meter auf und ab fchwantt; dazu vielleicht 60 Meter
hin und herſhwingt und nach allen Richtungen ſtampft und
ſchlingert. Ferner hat der Korb noch ſeine ru>ende Eigenbewegung,
die auch nicht viel nachläßt, wenn man die vier Sturmleinen fteaff
anzieht. Kein Taifun kann ein Schiff ſo umherwerfen, wie ein ſteifer
mitteleuropäifcher Wind einen Feſſelballon.
Plölich zieht einem ein eiskalter Schauer über den Leib. Die
Seekrankheit kommt! Fch bin auf einer längeren Meer-
fahrt einmal fünf Tage hintereinander ſeekrank geweſen, aber das
war ein Hochgenuß neben den drei Stunden bei Sturm im Feſſel-
ballon. Zn wenigen Augenbliden ift der Magen leer, man würgt
minutenlang weiter, um fefundenlang nur dazwiſchen aufatmen
und ſchnell beobachten zu können. Die fteifen Finger können den
Bleiſtift nicht halten. Alles verſchwimmt, es wird einem grün
vor den Augen, man meint berſten zu müſſen, feurige Linien zu>en
durchs Gehirn. Die Kehle iſt wund und tut weh, bei dem fort-
geſeß ten Würgen bekommt man einen Stimmrigentrampf, im
Au iſt man heiſer und kann ſich auch durch das Telephon nicht mehr