Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

  
  
  
54 Im Freiballon, 
  
  
in ihrem {mutigen Dunſt nie ſehr verlo>end aus, und die Photo- 
graphien enttäuſchen, wenn ſie überhaupt „was werden“. Wie 
die Gegend um den Lietenſee in Charlottenburg herum aus 
2100 Meter Höhe ausſieht, habe ih einmal auf Wunſch im Bilde 
feſtgehalten, aber ſeitdem laſſe ich die Metropolen immer — links 
liegen. Ofenpeſt haben wir feſtgeſtellt, wir fliegen alſo auf dem 
rechten Ufer der Donau, die fih als breites gelbes Band (Farbe 
„Kaffee verkehrt“ oder „Kapuziner“) durch die unendliche Ebene der 
Balkanhalbinſel zuwälzt. Nun wollen wir wieder mehr nah Oſten 
und laſſen uns ganz ſachte und allmählich 1800 Meter tiefer finken. 
Der Ballon macht halb linksum und verlangſamt wieder beträchtlich 
ſeine Fahrt. Zeitweilig ziehen ſich breite Wolkenſchichten unter uns zu- 
ſammen. Dann ſegelt unſer Ballonſchatten, von einer doppelten freis- 
runden Aureole umgeben, darauf mit. Die zweimal ſieben Regen- 
bogenfarben ſind ſcharf abgezirkt und ſo leuchtend deutlich auf- 
getragen, ſo unwahrſcheinlich deutlich, daß man ſie einem Maler 
nicht glauben würde. Die Fagdleidenſchaft der Amateurphoto- 
graphen erwacht, und drei Knipſer eröffnen ein wahres Kleingewehr- 
feuer auf Brodengejpenft und Aureolen. 
Dazwiſchen iſ die Ebene unter uns frei von Wolken, Dann 
gibt es eine andere reizvolle optiſche Erſcheinung, die Ges 
jhiffer- oder Gegenjonne, Fm Süden oben vor uns 
ſtrahlt das wirkliche Himmelsgejtien, im Süden unter uns aber unter 
dem gleichen Winkel läuft eilfertig eine zweite Sonne blinkend und 
blendend im Ballontempo vor uns her, läßt Seen und Tümpel, 
Flüſſe und Gräben weithin erglänzen, klettert über Hügel und 
Dörfer und Kirchtürme, rutſcht in Täler hinein und nimmt Schluchten 
in einem Gab. Keine königliche Karoſſe hat einen ſo blizenden 
Borläufer, kein Paukenſchläger bei der Kavallerie hält ſo genauen 
Abſtand. 
Da unten muß es in den lebten Tagen kein ſ{önes Wetter 
gegeben haben. Streifenförmig liegt überall Schnee. Die Dö r fer 
machen, von oben geſehen, einen triſten Eindru>, weil kein einziges 
von ihnen Jndividualität beſitzt, wie jedes deutſche, fondern ſchach- 
brettartig, wie eine Strafkolonie, daliegt, an ſchnurgeraden recht- 
wintelig fich fehneidenden Straßen lauter gleiche Häufer mit gleichem 
Hofraum, faſt nirgends Gärten, fein Wäldchen 
zwiſchen den Äd>ern, eine öde troſtloſe Gleichförmigkeit. 
    
  
	        
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