Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

    
  
  
  
   
62 Im Freiballon. 
  
  
eilen, auf denen jedes Dorf und jedes Feld und jeder Forſt von 
feſter, alter Kultur erzählt, da ärgern wir uns zwar über das 
preußifche „Rauchen verboten!“ im Speiſewagen, das der ge- 
fälligere Ungar nicht kennt, aber wir weiden uns an dem Anblid 
der Heimat. 
Und einer von uns ſtößt es, um ſeine Rührung zu verbergen, 
knurrend hervor: „Hol mich der Henker, aber ich dent immer 
Delt Oland DeutſGland über alles Sl 
pflichten wir ihm bei; und doch lugen wir nach den eilenden Wolken 
und wünſchen uns heraus aus dem ratternden Zuge und wieder 
empor in den freien Äther. Das Bleibende von einer Ballon- 
fahrt iſt — die Sehnſucht nach der nächſten. 
„Hoffen Schevenin- Über dem Mansfeldijchen war 
44 es ſchon Nacht, als wir hinüber- 
gen anzufreuzen : flogen. Die Tagbauten der Berg- 
werte, die wir von ferne ſahen, 
glühten empor, aber in Den 
Dörfern ringsum atmete das Dunkel, und feines war zu er- 
kennen. Vielleicht trug uns unſer Ballon gerade über Die 
Stätte, wo vor 428 Fahren ein deutſcher Bergmannsſohn 
geboren wurde, deſſen Hammerſchläge, nachher in Witten- 
berg, das Mittelalter in Scherben ſchlugen. Was hätte man 
wohl damals zu unſerer Luftfahrt geſagt! Fekt figen in unjerem 
Korbe einträchtig zwei proteſtantiſche Herren und eine katholiſche 
Dame zuſammen, ſind ſtolz darauf, Deutſche zu ſein, und genießen 
paritätiſch die jchweigende Schönheit der friedlihen Welt. Stille 
ringsum. Nur von irgendwoher kommen ein paar verlorene Töne 
eines Leierkaſtens. Hm—ta, hm—ta, hm—tata. Srgendwo ijt wohl 
Kirchweihfeſt oder Fahrmarkt; ſollten lieber ſchlafen gehen, die guten 
Leute, oder ruhig den Abendfrieden koſten. Dunkel und drohend 
gleitet das Maſſiv des Harzgebirges heran, nun liegt 
die Ebene hinter uns, hier in den Bergen ijt endlich jeder menfch- 
liche Laut geſtorben, und es blafft nicht einmal ein Hund. Wir 
Ihwimmen raufchende Höhen hinan und ſenken uns langſam in 
Täler; unſere Fahrtlinie zeichnet automatiſch das Profil des Ge- 
  
	        
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