Full text: Luftfahrten im Frieden und im Kriege

   
  
  
  
64 Im Freiballon. 
  
  
Windrichtung und Windgeſchwindigkeit, wir kennen unſere Höhe über 
der Erde und ungefähr die Fallgefhwindigkeit unferer Sendung, 
alſo läßt ſich der Weg der Depeſche ſchäßen. Drüben, etwa 21/, Rilv- 
meter vor uns, liegt ein großer Gutshof unweit der Stadt, da wird 
die Botſchaft aus den Lüften wohl landen. Wir verfolgen ſie durch 
unſere Gläſer, ſie taumelt eine Ewigkeit hinunter und hält dabei 
andauernd mit uns Schritt, aber ſie kommt auch richtig vor dem 
Hofe an, aus dem gerade der Herr Fnſpektor herausreitet. Das 
rote Ding tanzt vor ihm ber und liegt dann ftill am Boden, er 
jigt ab und hebt es auf, — nun find wir beruhigt. Nicht immer 
geraten die Ballondepeſchen ſofort in menſchliche Hände, ſondern 
bleiben mitunter auf einem Ader unbeachtet liegen, bis er wieder 
umgepflügt wird, oder klemmen ficb in den Dachziegeln eines 
Hauſes feſt, verſchwinden auch wohl in einer Baumkrone. 
Zn unſerer Depeſche aber ſteht der Saz: „Windrichtung 
Nordholland, hoffen trovdem Scheveningen 
anzukreuzen.“ Mag der Empfänger uns für übergeſchnappt 
halten, er wird uns ſchon noch abbitten ! 
Eine einfache Überlegung hat mir die Durchführbarkeit des 
Planes gezeigt. Zn den Mittagsſtunden weht an der Küſte in 
tieferen Lagen der Seewind, der ſih mit der ihm ent- 
gegenſtrömenden Luft, die uns hinführt, irgendwie au s - 
einanderjegen muß. Die Zeichnung, die vor meinem 
geiſtigen Auge ſteht, iſt klar: die Reſultante aus beiden Luft- 
ſtrömungen muß an der Küſte, unten, wo die kalte Luft von der 
Oberfläche des Meeres hertommt, Nordnordoftwind er- 
geben. Weiter oben aber bleibt der Wind derſelbe Oſtſüdoſt, vor 
dem wir jekt ſegeln, denn bis 1400, 1500 Meter hinauf reicht der 
Einfluß der Seekühle niht. Wir haben alſo die Aus- 
wahl je nach der Höhe, in der wir fliegen; und bei dem großen 
Ballaſtvorrat, über den wir verfügen, werden wir mit Leichtigkeit 
abwechſelnd hinauf- und hinunterkönnen, abwechſelnd we ſt - 
wärts und ſüdwärts fliegen. Bei richtiger Ausnubung 
dieſer Möglichkeiten ift das Gelingen der Sielfahrt volltommen 
geſichert. 
Wir haben inzwiſchen die Grenze überſchritten, die deutſchen 
Generalſtabskarten reichen niht weiter und werden weggeſte>t, 
die „Gemeentekaart van Overijſſel“ und die anderen hollän- 
  
  
	        
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