Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
4 Falck, die klinisch wichtigen Intoxicationen. 
in jeder Beziehung gerechtferigt. Dymamisch wirksam erweisen sich 
nämlich die Agentien, welche wie die Dynamide der Physiker, wie die 
Wärme, das Licht, die Elektrieität, der Galvanismus und der Magnetismus 
aus der Erregung des die ponderablen Atome der Körperwelt umlagern- 
den Aethers hervorgehen und somit durch imponderable Aethertheilchen 
aggressiv werden. Wie wir bereits zeigten, hat aber dergleichen Agen- 
tien noch Niemand zu den Giften gerechnet, auch wenn sie, wie das 
Glüheisen stärker als viele Gifte in den Körper eingreifen. 
Mechanisch wirksam erweisen sich die Substanzen, welche wie z.B. 
ein aus der Höhe herabkommender, den Menschen zerschmetternder Fels- 
block, durch die Gravität ihrer Masse, oder wie ein den Menschen nie- 
derstreckendes Messer durch die äussere Form und Gestalt ihrer Ge- 
sammtmasse und durch die Kraft, mit welcher sie in Bewegung gesetzt 
sind, oder wie eine in den Magen gebrachte und denselben verletzende 
Glasscherbe durch die scharfen Kanten und Ecken, oder wie eine den 
Menschen durchbohrende Flintenkugel durch die Geschwindigkeit der 
Masse eine gewisse Wirkung entfalten. Niemand kann heut zu Tage 
dergleichen Agentien, auch wenn sie augenblicklich den Tod bringen, als 
Gifte bezeichnen. Die Art, wie sie den Körper angreifen und in densel- 
ben eingreifen, unterscheidet sie zur Genüge von den Giften, nicht aber 
die Folge ihrer Einwirkung, wie man fälschlich geglaubt hat; denn Störun- 
gen in der Continuität der organischen Theile, welche man als Folge me- 
chanischer Einwirkung fast ausschliesslich betrachtete, werden ebensogut 
durch ätzende Gifte, wie durch mechanisch - wirkende Substanzen veran- 
lasst. Kommen wir somit schnn auf dem Wege der Ausschliessung zu 
der Ansicht, dass die Gifte chemisch wirken, d. h. dass sie durch die 
Natur ihrer ponderablen Molekule und die denselben immanenten Kräfte 
in den Organismus eingreifen, so soll uns das nicht behindern, ein schla- 
gendes Argument dafür zu erbringen. Als solches glauben wir aber die 
Thatsache anführen zu dürfen, dass jede Aenderung in den Molekular- 
verhältnissen der Gifte eine entsprechende Aenderung in den Wirkungen 
derselben veranlasst, und dass bis zu einem gewissen Grade die Kennt- 
niss der Molekularverhältnisse der Gifte genügt, um darnach die Wirkung 
der Gifte im Voraus zu bestimmen. Und in der That bemerken wir nicht, 
dass dieselbe Salzsäure und dieselbe Aetznatronflüssigkeit, welche zufolge 
der chemischen Natur ihrer Molekule unter bestimmten Bedingungen als 
Gifte wirken, als solche zu wirken aufhören, sobald ihre Atome mit ein- 
ander zu Kochsalz vereinigt werden? Und bemerken wir nicht, dass die 
Blausäure, welche in Folge ihrer Molekule und der daran haftenden 
Kräfte in kleinster Menge sich äusserst gifiig erweist, ihre Virulenz in 
auffallender Weise einbüsst, sobald sie mit Schwefel- oder Eisenatomen 
zu Schwefelblausäure oder Eisenblausäure umgesetzt wird? Und ist es 
nicht dargethan‘, dass dasselbe Arsen, welches mit einem organischen 
Atomencomplexe verbunden als Alkarsin sich ungiftig verhält, zu einem 
heftigen Gifte sich gestaltet, sobald seine Atome mit Sauerstoffatomen ge- 
paart zur arsenigen Säure verbunden werden? 
8. 7. Was zu den Giften gehören soll, muss dem $. 4 zu Folge 
mit dem gesunden Organismus coneurrirend zur gewöhnlichen Ernährung, 
d. h. zur Bildung, Fortbildung und Restauration des Körpers sich unge- 
eignet erweisen, d. h. mit andern Worten, darf nicht zu den Nahrungs- 
mitteln gehören. Dieses Merkmal in die Definition der Gifte aufzunehmen, 
mag Manchen absurd erscheinen. Nichts destoweniger glauben wir dieses 
negative Merkmal festhalten zu müssen, um so mehr, als die Nahrungs- 
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