Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Bleikolik. 181 
denen Altersstufen ist nur wenig in Klarheit gesetz. Wenn von Tan- 
querel’s 1217 Patienten 445 im Alter von 39-40 Jahren, 277 im Alter 
von 40—50 Jahren, 244 im Alter von 20—30 Jahren, 118 im Alter von 
50—60 Jahren, 80 im Alter von 10-20 Jahren, 39 im Alter‘ von 6070 
Jahren, 8 im Alter von 5—10 Jahren und endlich 6 im Alter von 70—80 
Jahren standen, so beweisen diese Zahlen keineswegs etwas zu Ungun- 
sten des kräftigen Lebensalters (20—50 Jahr) oder zu Gunsten der Kind- 
heit und des Greisenalters, denn es ist erwiesen, dass die Mehrzahl der 
Fabrikarbeiter, die mit Blei zu schaffen haben, in einem kräftigen Lebens- 
alter sich befinden, und dass nur verhältnissmässig sehr wenige Kinder 
und Greise zu einem gesundheitsgefährdenden Gewerbe angetrieben wer- 
den. Wenn Tanquerel’s anderweilige Erhebungen Vertrauen verdienen, 
muss man sogar trotz der obigen Zahlen annehmen, dass Kinder zur 
Bleikolik viel geneigter sind, als Erwachsene, und diese Annahme steht 
auch wohl mit Allem im Einklang, was über das Verhalten der Kinder 
zu den Giflen im Allgemeinen sicher gestellt wurde. Wenn unter Tan- 
querel’s 1217 Bleikolikpatienten 585 mit mittlerer, 424 mit starker, und 
208 meist schwacher Constitution sich befanden, so folgt daraus noch 
nicht, dass Leute mit mittlerer oder starker Constitution eine grössere Nei- 
gung zur Bleikolik besitzen, als schwach constituirte Individuen; denn es 
ist erwiesen, dass in den Bleiweissfabriken und in den anderen Werk- 
stätten, bei weitem mehr kräftige und mittlere Individuen, als schwache 
mit dem Blei beschäftigt sind. Hinsichtlich der Temperamente glaubt Tan- 
querel keinen Unterschied in der Prädisposition zur Bleikolik annehmen 
zu dürfen, dagegen ist derselbe Forscher, wie viele andere der Meinung, 
dass Arbeiter, welche in Schwelgerei, in diätetischen Excessen, in Trunk- 
sucht und Unreinlichkeit sich auszeichnen, zu der Bleikolik viel geneigter 
seien, als die Arbeiter, welche solche Fehler nicht verschulden. Andere 
Forscher erblicken selbst in Verkältung, Stuhlverhaltung, im Genusse von 
stark gesäuerien Speisen und Getränken eine besondere Begünstigung zum 
Ausbruche der Bleikolik, welche Ansicht begreiflich durch mancherlei 
Gründe zu belegen ist. Was endlich die Jahreszeit betrifft, so scheint 
dieselbe einen höchst begünstigenden Einfluss auf die Entstehung der Blei- 
kolik zu üben. Von 1217 Bleikolikpatienten stellien sich nach Tanque- 
rel 569, also fast die Hälfte, in den Monaten Mai (115), Juni (137), Juli 
(190) und August (127) ein, während in den Wintermonaten Januar bis April 
nur 338 und in den Herbstmonaten von September bis December nur 310 
Patienten zur Behandlung kamen. Diese Zahlen finden zum Theil darin 
ihre Erklärung, dass zur heissen Jahreszeit eine grössere Menge von Ar- 
beitern (Anstreicher, Weissbinder, Farbenreiber, Töpfer) mit Bleipräpara- 
ten zu schaffen haben, zum Theil sind sie aber, wie Tanquerel zeigte, 
mit Bestimmtheit in dem Einflusse der Wärme zu suchen, welche eben 
sowohl. die Vertheilung der Bleipräparate begünstigt, wie sie auf den 
Körper der Arbeiter einen eigenthümlichen, nicht hinlänglich aufgeklärten 
Einfluss übt. 
DIAGNOSE. 
$. 166. Die Diagnose der Bleikolik ist nicht schwierig, wenn letz- 
tere mit ihrem charakteristischem Symptomencomplexe der offenbaren Zu- 
fuhr von Abkömmlingen des Bleis auf dem Fusse folgt und vielleicht gar 
die Erscheinungen der Bleidyskrasie zu Vorläufer hat. Aber die Bleikolik 
kann auch kryptogenetisch nach unbemerkter Einverleibung von Bleiprä- 
paraten auftreten und erheischt alsdann eine genauere, differentielle Diag- 
 
	        
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