Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Blei- Arthralgie. 195 
ANATOMISCHE CHARACTERISTIK. 
$. 191. Bis jeizt ist in dem Gehirn, dem Rückenmark, den Nerven 
und den schmerzhaft ergriffenen Gliedern von Individuen, welche an Ar- 
thralgie litten, nichts gefunden worden, was als anatomisch fasslicher Grund 
des Leidens zu betrachten wäre. 
URSACHEN. 
$. 192. Unter den verschiedenen Bleipräparaten scheint die Mennige 
in ganz besonderer Beziehung zur Arthralgie zu stehen. Wenigstens hat 
Tanquerel festgestellt, dass von den, verhältnissmässig nur wenigen 
Arbeitern in Mennigefabriken sehr viele an Arthralgie leiden, was nicht in 
der Art des Geschäftsbeiriebs, sondern in der Natur des Präparais gelegen 
sein muss. Die Arbeiter in Bleiweissfabriken und die mit Bleiweiss um- 
gehenden Ansireicher leiden bei Weitem häufiger anKolik als an Arthral- 
gie, wesshalb es gerechtfertigt erscheint, dem Bleiweiss einen geringeren, 
auf Erzeugung von Arthralgie gerichteten Einfluss zuzuschreiben. Ueber- 
dies hat man auch Arbeiter in Bleigelbfabriken, in Fabriken von Bleizucker, 
von salpetersaurem Blei, von chromsaurem Blei, ferner Wagenlackirer, 
Decorationsmaler, Farbenreiber, Kartenmacher, Töpfer, Drahtzieher, Ver- 
zinner, Kupfergiesser, Schrifigiesser, Seizer, Bleischrotmacher, Steinschnei- 
der, Silberabtreiber, Schmelzer, Schürknechte und Vorläufer in Hüttenwerken 
an Arthralgie leiden sehen, woraus erhellt, dass unter begünstigenden Um- 
ständen jedes Bleipräparat, sowie jede Bleiemanation die Arthralgie zu er- 
zeugen vermag. Worin aber die begünstigenden Umstände bestehen, ist 
keineswegs mit Sicherheit bekannt. Nach Brockmann sollen plötzlicher 
Temperaturwechsel, Verkältungen, Excesse in Baecho et Venere, Gemüths- 
aufregungen die Entstehung der Arthralgie begünstigen, was mit den Be- 
obachtungen anderer Forscher nicht ganz übereinstimmt. Wie es scheint, 
ist die Prädisposilion zur Arthralgie nach Alter, Geschlecht, Constitution, 
Temperament u. s. w. nicht verschieden. Faclisch ist indessen, dass Leute 
von 20—50 Jahren bei weitem am häufigsten an Arthralgie leiden, begreif- 
lich weil Leute dieses Alters am meisten mit Blei beschäftigt sind. Dass 
eine individuelle Prädisposilion zur Arthralgie besteht, geht daraus hervor, 
dass bei manchen Arbeitern jede dyskratische Bleivergiftung sich als Ar- 
thralgie darstellt, dass bei andern Arbeitern mit der Kolik jedesmal auch 
Arthralgie aufkommt, und dass endlich bei anderen Bleiarbeilern die Ar- 
thralgie sich niemals entwickelt, obwohl dieselben sanz denselben Ein- 
flüssen unterstellt sind, wie andere, die häufig von der Arthralgie befallen 
werden. 
DIAGNOSE. 
$. 193. Die saturnine Arthralgie ist kaum mit einer andern bekann- 
ten Krankheit der Gliedmassen zu verwechseln. Bei dem acuten Gelenk- 
theumalismus besteht Hitze, Röthe, Geschwulst der Gelenke, Schmerzhaf- 
tigkeit beim Zufühlen, eontinuirlicher Schmerz, starkes Fieber, flammender 
mit Harnsäure reichlich beladener Urin, grosse Ruhe in der Lage des Pa- 
tienten, was bei der saturninen Arthralgie alles vermisst wird. Bei dem 
chronischen Rheumatismus bemerkt man einen chronischen Verlauf der 
Krankheit, zuweilen ein plötzliches Weberspringen des Leidens von einer 
Extremität zur andern, Abwesenheit aller Erscheinungen der Bleidyskrasie, 
während letztere bei der saturninen Arthralgie deutlich zu bemerken sind, 
das arthralgische Leiden nicht überspringt und von kurzer Dauer ist. Bei 
der Arthritis bemerkt man mehr weniger entzündliche Schwellungen der 
Gelenke neben ganz bestimmten constitutionellen Erscheinungen, während 
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