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Saturnine Tabes. 223
und hart, und nicht selten gelblich gefärbt. Der Speisecanal ist lax und
blass, nach seinem Umfange und seiner Länge auffallend verkleinert, je-
doch keineswegs zu Contraeiuren und Strieturen verengert. Die Schleim-
häute des Speisetractus und der andern Organensysieme sind merklich
geschrumpft und erscheinen trocken und saftlos. Die Mesenterialdrüsen
sind nicht selten klein und hart. Die Leber, die Milz und das Pancreas
sind atrophisch, trocken, safllos und frei von Blutanhäufungen. Die Nieren
und der ganze Harnapparat bieten die Zeichen der Atrophie dar. Das
Herz erscheint immer schlaff, livid, fettlos und atrophisch. Dieselben Cha-
raktere bieten die Lungen dar. Das Blut der Leiche ist ungewöhnlich
blass, dünnflüssig, arm an Hämatoglobulin und nirgends in erheblicher
Menge angehäuft. Das Gehirn ist stets härter als gewöhnlich, bietet je-
doch weder in seiner Substanz, noch in seinen Umhüllungen, noch in der
Cerebrospinalflüssigkeit auffallende Veränderungen dar. In ähnlicher Weise
verhält sich das Rückenmark, das sich gleichfalls härter, als gewöhnlich
anfühlt. Auch die Ganglien des splanchnischen Nervensystems sollen nach
Brockmann härter als gewöhnlich sein. Exsudative Producte des Kör-
pers sind in den Höhlen der Leiche nur dann zu finden, wenn vor dem
Tode hydropische Schwellungen erfolgten.
SYMPTOME UND VERLAUF.
$. 268. Wenn die saturnine Zehrung bei Hüttenarbeitern, Fabrikar-
beitern und andern mit Blei umgehende Individuen, wie gewöhnlich ent-
steht, so verläuft dieselbe immer ungemein langsam und chronisch, dage-
gen entwickelt sich das Leiden viel rascher, wenn Thieren absichtlich
geeignete Mengen von Blei beigebracht werden. Mag die Tabes in der
einen oder andern Weise sich ausbilden, fast immer vermag man in ihrem
Verlaufe mehrere Stadien zu unterscheiden, namentlich ein Stadium der
Vorboten, ein Stadium der beginnenden Krankheit (Tabes incipiens) und
ein Stadium der confirmirten Krankheit (Tabes confirmata).
$. 269. In dem Stadium der Vorläufer zeigen sich all’ die Erschei-
nungen, welche als die Symptome der Bleidyskrasie später zu besprechen
sind, so wie das eine oder andere saturnine Localleiden, als Dyspepsie,
Kolik, Arthralgie, Zittern, Lähmung, Anästhesie u. s. w. Je stärker die
Saturation des Körpers mit Bleimolekülen ist, je zahlreicher, hefliger und
andauernder die saturninen Localleiden erwachsen, je grösser die Ernäh-
rungsstörungen sind, welche erfolgen, je langwieriger und unvollkommener
die Reeonvalescenz von den saturninen Localaffeetionen ist, um so eher
geht das prodromale Stadium in das der beginnenden Tabes über.
8. 270. Ist nach kürzerem oder längerem Bestande des prodromalen
Stadiums das Stadium der beginnenden Bleizehrung wirklich eingetreten,
so drängen sich allmählich mehrere Reihen von Erscheinungen auf, wo-
durch theils ein eigenthümlicher Habitus (Habitus saturninus), theils ein
eigenthümliches Gepräge der Körperfunctionen bedingt wird.
Was zunächst den saturninen Habitus betrifft, so wird derselbe theils
durch eine eigenthümliche Physiognomie (Facies saturnina), theils durch
eigenthümliche Contracturen (Contracturae saturninae), theils durch eine
eigenthümliche Atrophie der verschiedensten Theile des Körpers (Atro-
phia saturnina) constituirt und bedarf nach allen diesen Richtungen einer
genaueren Beschreibung.
a) Facies saturnina. Das Gesicht der Individuen, welche unter be-
ginnender Tabes leiden, ist bleich, zum öfteren wachsfarben, gelblich tingirt