Saturnine Dyskrasie, Kakochymie und Kachexie. 931
leidende Individuum seinen Geschäften noch nachzugehen vermag. Wie
es scheint, entsteht die Abmagerung dadurch, dass die, dem Einflusse
des Bleis unterstellten Individuen. im Verhältnisse zu den Ausgaben des
Körpers zu wenig an Speise und Trank verzehren, was, wie es weiter
scheint, nur die Folge des durch den Einfluss des Bleis abgeschwächten
Appelites ist.
8. 284. 3) Foetor saturninus. Wenn der Körper bis zu einem
gewissen Grade mit Blei saturirt ist, so nimmt der Hauch des Mundes
und der Athem einen charaklerisisch übelriechenden Geruch an, der
nicht nur andern Personen, sondern auch den bleileidenden Individuen
häufig selbst auffällt. Wie es scheint, entsteht dieser Fötor durch Aus-
scheidung eigenthümlicher flüchtiger Producte aus dem krankhaft beschaf-
fenen Blute, und nicht, wie Tanquerel annimmt, durch Contact von
Bleimolekulen mit den Schleimhäuten der Lufiwege.
8. 285. 4) Livor oris saturninus. Sobald der, den Wirkun-
gen des Bleis ausgesetzte Mensch bis zu einem gewissen Grade mit Blei
imprägnirt jst, bilden sich auf der Schleimhaut des Mundes und um die
Zähne herum eigenthümliche dunkelgefärbie Flecken und Streifen aus, die
zuerst von Tanquerel, später von Burton zur Sprache gebracht wur-
den und die ihres diagnostischen Werthes halber eine genaue Beschrei-
bung erheischen. In der That findet man die in Rede siehenden Flecken
und Streifen nur bei bleikranken Individuen, so dass dieselben fast als
pathognomonische Zeichen angesehen werden dürfen. Sobald die eigen-
thümliche Färbung der Mundschleimhaut aufkommt, bilden sich an den,
den Zähnen zunächst gelegenen Parthien des Zahnfleisches schieferblaue
Sireifen von 1—-3 Linien Breite aus, durch welche die Zähne wie durch
zwei dunkle Bänder völlig umsäumt werden. Der angrenzende Theil des
Zahnfleisches erscheint dabei öfters mattrothblau gefärbt und verläuft allmäh-
lich in die rosenrothe Farbe, welche den Rest des Zahnfleisches und die Mund-
schleimhaut überzieht. Bei höherem Grade der Ausbildung des Livor erscheint
das ganze Zahnfleisch zuerst violettblau und später völlig schieferblau; bei noch
höherem Grade bemerkt man die schieferblaue Farbe nicht nur über das
Zahnfleisch, sondern auch über die ganze Schleimhaut des Mundes und
der Zunge verbreitet und nur hier und da von rosenrothen Stellen durch-
brochen. Ist die Verfärbung weit vorgeschritien, aber noch nicht zum
höchsten Grade ausgebildet, so sieht man ausser der schieferblauen Um-
säumung der Zähne stellenweise schieferblaue Flecken und Streifen auf
der Mundschleimhaut. Wie es scheint, besteht das abnorme Pigment des
Zahnfleisches und der Schleimhaut des Mundes aus Schwefelblei, wenig-
stens sieht fest, dass dasselbe durch saure Colutorien nur sehr schwer
zu entfernen ist, und dass dasselbe durch Wasserstoffhyperoxyd in
schwefelsaures Bleioxyd kann verwandelt werden. Ueber die Genese des
Pigments, welches bisweilen schon nach 5—6 tägigem, zuweilen nach mo-
natlichem, zuweilen erst nach Jahre langem Umgange mit dem Bleie ent-
steht, bestehen zur Zeit noch die bedeutendsten Zweifel. Tanquerel
digerirte die Mundschleimhaut eines verstorbenen bleikranken Menschen
mit Schwefelwasserstoff und sah dieselbe ganz schieferblau werden.
Hiernach ist Tanquerel geneigt, die nativen blauen Streifen und Flecken
von der Einwirkung von Schwefelwasserstoffgas abzuleiten, welches durch
die, zwischen den Zähnen haftenden Speisereste bei der Zersetzung ge-
bildet werden soll.
5) Dentes saturninae. Die Zähne der bleikranken Individuen,