Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
239 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
deren Zahnfleisch schieferblau geworden ist, lassen an ihren Hälsen eine 
sehr dunkelbraune Färbung erkennen, während die Zahnkronen hellbraun 
und ins Gelbe oder Grüne spielend aussehen. Besonders ist diese Fär- 
bung an den Schneide- und Eckzähnen, weniger an den Backenzähnen 
zu bemerken. Hat die Färbung der Zähne längere Zeit bestanden, so 
werden dieselben nachgerade ganz zerbrechlich und verfallen dem eariö- 
sen Schwunde. 
6) Gingiva saturnina. Hat sich die schieferblaue Färbung des 
Mundes eingestellt, so schwindet allmählich der Umfang des Zahnfleisches. 
Dasselbe wird von den Interstiiien der Zähne aus so resorbirt und con- 
trahirt, dass es bisweilen einen schräg abgeschnittienen Wulst bildet und 
die Zähne verlängert erscheinen lässt. Zuweilen ist die Verkümmerung 
des Zahnfleisches nur partiell. Selten ist das Zahnfleisch hyperämisch 
und leicht blutend, noch seltener ist dasselbe mit Ulcerationen bedeckt. 
7) Gustus saturninus. Gleichzeitig mit_der schieferblauen Fär- 
bung des Mundes entwickelt sich bei den dem "Blei unterstellten Indivi- 
duen ein eigenthümlicher, siyptisch süsslicher Geschmack, der dem Ge- 
schmack des Bleizuckers ähnlich ist. Dabei ist die Speichelsecretion mei- 
stens vermindert und der Mund trocken. 
Neben diesen Erscheinungen einer vorgeschritienen Bleidyskrasie 
und Kachexie können die schon früher aufgekommenen Functionsstörun- 
gen fortbestehen oder sich steigern und mehren. Im letzteren Falle em- 
pfinden die dem Blei unterstellten Individuen häufig eine Schwere im 
Epigastrium, Appetitlosigkeit, Nausea, dumpfe und vage Schmerzen in dem 
Unterleibe, während Borborygmen, zunehmende Leibesverstopfung, Abgang 
scybalöser Fäces, Verminderung und Erschwerung der Harnausscheidung, 
Neigung zur Ermüdung, Schlafesunruhe, seltener, harter Puls, kurz alle die 
prodromalen Erscheinungen der saturninen Organleiden und der saturni- 
nen Dyspepsie zu constaliren sind. Auf dieser Stufe der Bleidyskrasie 
und Kachexie stehend kann der Mensch, wenn er dem Einflusse des 
Bleies völlig entzogen wird, vor dem Ausbruche von saturninen Organ- 
und Partialleiden noch bewahrt werden und bei richtiger Behandlung selbst 
seine frühere Gesundheit wieder erlangen. Dabei schwinden die aufge- 
führten Erscheinungen der Bleidyskrasie und Kachexie nach und nach, 
während der Körper seine gesunde Farbe und seinen früheren Umfang 
wieder gewinnt. 
$. 286. Bleibt ein Mensch auch nach Entwicklung der im Vorher- 
gehenden abhandelten Erscheinungen der Bleidyskrasie und Kachexie 
noch ferner den Einflüssen des Bleis ausgeselzt, so bedarf es bei der fort- 
schreitenden Satiuralion des Körpers mit Gift nur des leisesten Impulses, 
der geringfügigsten Noxe (einer Ausschweifung, eines Diätfehlers etc.) oder 
der verminderten Resistenz eines bestimmten Organs oder Organensystems, 
um ein präponderirendes Leiden derselben, ein saturnines Partial- oder 
Organleiden aufkommen zu lassen. Bei besonderer Affection des Magens 
entsteht alsdann die deuteropathische Bleidyspepsie ($. 278), bei präpon- 
derirender Affeetion der splanchnischen Nerven des Unterleibs bildet sich 
die Bleikolik ($. 146) mit ihren verschiedenen Formen, der Colica umbili- 
calis, epigastrica, hypogastrica und lumbaris, bei präponderirender Affec- 
tion der sensiblen Sphäre der Cerebrospinaleentren und ihrer peripheri- 
schen Ausbreitungen entsteht die saturnine Arthralgie ($. 187), oder die 
saturnine Anästhesie ($. 229), bei besonderer Läsion der motorischen 
Sphäre der Cerebrospinalcentren und ihrer Ausbreitungen bilden sich das 
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