Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

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Saturnine Dyskrasie, Kakochymie und Kachexie. 233 
saturnine Zittern ($. 197), die saturninen Contracturen ($. 205), die satur- 
ninen Lähmungen ($. 211), die saturnine Aphonie ($. 228), der saturnine 
Psellismus bei präponderirender Affection der Sehnerven entsteht die 
saturnine Amaurose ($. 237), bei präponderirender Affeetion des Ge- 
hirns kommen die verschiedenen saturninen Hirnleiden ($. 246) zum Vor- 
schein, welche wir als Delirien, Coma, Epilepsie u. s. w. kennen gelernt 
haben. Alle diese aus der Bleidyskrasie und Kachexie erwachsenden 
Organ- und Partialleiden vermögen isolirt zu bestehen, aber auch bei 
gleichzeitiger, präponderirender Affection mehrerer Körpertheile sich mit- 
einander zu verbinden, zu combiniren und zu complieiren, was wir bei 
den einzelnen Krankheiten zur Genüge dargeihan haben. Merkwürdiger 
Weise erwachsen aber die verschiedenen saturninen Organ- und Partial- 
leiden aus dem Boden der saturninen Dyskrasie und Kachexie nicht alle 
mit gleicher Leichtigkeit und Häufigkeit, sondern die eine Species von 
Bleikrankheiten kommt erfahrungsgemäss viel häufiger zum Durchbruch, 
als die andere. So beobachtete Tanquerel in Paris auf 1217 Fälle von Blei- 
kolik 755 Fälle von Arthralgie, 102 Fälle von Paralyse (einschliesslich der 
Aphonie), 23 Fälle von Anästhesie (einschliesslich der Bleiamaurose), und 
endlich 72 Fälle von saturninen Hirnleiden, woraus sich ergibt, dass auf 
1 Fall von Anästhesie etwas mehr als 3 Fälle von saturniner Encephalo- 
pathie, fast 5 Fälle von Bleiparalyse, fast 33 Fälle von Arthralgie und fast 
53 Fälle von Bleikolik kommen. Wie aus Fütterungsversuchen, die mit 
Bleipräparaten an Hunden angestellt wurden, hervorzugehen. scheint, ist 
die Häufigkeit der verschiedenen Bleikrankheiten zum Theil durch die ver- 
schiedenen Grade der Saturation des Körpers mit Bleimolekulen bedingt, 
zum Theil, und wie es scheint, zum grösseren Theile hängt dieselbe von 
der Qualität des eingeführten Bleipräparats, von der Art der Zuführung 
und von besonderen noch unbekannten Attractionen und Verhältnissen be- 
stimmter Körpertheile (Ganglien-Nervensystem, Rückenmark, Gehirn u. s. w.) 
ab. Manche von den aus der Bleidyskrasie und Kachexie erwachsenden 
Organ- und Partialleiden (Hirnleiden, Paralysen u. s. w.) sind schon an 
und für sich im Stande das Leben des Patienten zu gefährden und zu 
vernichten; andere (Anästhesie, Amaurose, Arthralgie, Kolik u. s. w.) ha- 
ben an und für sich den Tod höchst selten im Gefolge, können aber, beson- 
ders bei fortdauernder Zufuhr von Blei, einen lethalen Ausgang begünsti- 
gen, indem sie lethalen Bleikrankheiten weichen oder sich mit solchen 
verbinden. So kann z. B. die Kolik der Encephalopathie Platz machen 
oder sich damit verbinden und somit den Tod herbeiführen, welcher der 
Kolik an und für sich nur höchst selten auf dem Fusse folgt. Schreitet 
die Bleikachexie bei fortdauernder Zufuhr von Bleimolekulen und nach 
dem Ablauf von vorausgegangenen saturninen Organ- und Partialleiden 
immer weiter vor, so entwickelt sich über kurz oder lang endlich die 
Tabes saturnina, welche wir ($. 266) als höchsie Stufe der Bleikachexie 
bereits kennen gelernt haben. Im Verlaufe der Tabes wandelt sich der 
Mensch in ein mumienartiges abgezehrtes Gerippe um, das bald durch ent- 
stehenden Decubitus, bald durch hektisches Fieber, bald durch fortschrei- 
tende Paralyse endlich zu Grunde geht. Wird vorEintritt der confirmirten 
Tabes der bleisieche Patient dem ferneren Einflusse des Bleis entzogen 
und in günstige, hygienische Verhältnisse verseizt, so kann der Patient 
dem Leben wieder gewonnen werden. Bei zweckmässiger Behandlung er- 
holt sich das bleisieche Subjeet in dem Maasse, als sein Körper von Gift 
gesäubert und die Nutrilionsstörung beseitigt wird. Selten gelangt indes- 
sen der Patient wieder zu der früheren Lebensfülle und Gesundheit. Die 
Fugen, welche das Blei im Organismus gelockert hat, sind nicht alle wie- 
  
  
  
  
 
	        
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