Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

12 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
  
Inneren der Pflanzen enthaltenen verwandten Gifte auch in äusseren ver- in. 
wandten Formverhältnissen der Pflanzen sich refleetiren. Die im Thierrei- mn 
che produeirten Gifte zeichnen sich meistens durch mangelhafte Krystalli- die 
salionsfähigkeit, Leichtlöslichkeit in Wasser, geringe Beständigkeit ihres wir 
Atomencomplexes, constanten Stickstoffgehalt und durch verhältnissmässig zu 
grosse Energie ihrer Wirkungen aus, was nicht verwundern darf, da sie 
offenbar. aus zerseizter albuminöser Materie hervorgehen. Was endlich : 
die giftigen Kunstprodukte betrifft, so fallen dieselben durch ihre auf die aus 
Spitze getriebene Individualisirung auf, was eine natürliche Folge der sorg- als 
fälligen chemischen Trennung und Reinigung ist, sowie durch die Kraft mil 
und Constanz, mit der sie sich wirksam erweisen. In der That hat die dur 
Natur kein Gift aufzuweisen, was an Intensität und Constanz der Wirkun- unc 
gen mit der reinen concentrirten Blausäure, dem reinen concentrirten Ko- Gift 
niin oder Nicotin verglichen werden könnte, wenn auch das Mineralreich des 
manche Gifte enthält, welche in Bezug auf reines krystallinisches Auftre- zu 
ten mit den giftigen Kunstprodukten sich messen dürfen. Aber nicht nur kur 
nach der Qualität, sondern auch in Hinsicht der Quantität überbieten die sch 
giftigen Artefacte die gifiigen Naturprodukte, so dass man vollkommen zu brii 
dem Ausspruche berechtigt ist: wenn auch in nichts Anderem, in der 
Erzeugung von Giften hat des Menschen Kunst bei weitem die Natur 
übertroffen ! sch 
Me 
$. 18. Die allgemeinen Eigenschaften der Substanzen, welche als sitz 
Gifte zu benennen sind, lassen sich füglich als physikalische und chemi- rin: 
sche unterscheiden. Zu den allgemeinen physikalischen Eigenschaften mö 
der Gifte sind zu rechnen der Aggregatzustand, die Cohäsion und eifi: 
Löslichkeit, die Form und Gestalt, die Dichtigkeit, sowie die thermi- wi 
schen, optischen, magnetischen, diamagnetischen und elektrischen Ver- nie 
hältnisse. Nach dem Aggregatzustande zerfallen die Gifte, wie alle übri- spe 
gen Natur- und Kunstprodukte in feste, flüssige und gasartige Substanzen. Grı 
Unter verschiedenen Bedingungen vermögen indessen viele Gifte in mehr 
als einem Aggregatzustande aufzutreten, wie denn z. B. das Jod in festem 
und dampfförmigem, die Kohlensäure in festem, flüssigem und gasartigem tise 
Zustande sich zeigen kann. Hinsichtlich der Wirkung der Gifte ist der als 
Aggregatzustand begreiflich von grossem Einflusse. Im Allgemeinen ist mit 
es richtig, dass gas- und dampfförmige Gifte intensiver und rascher, als unc 
flüssige und letztere intensiver und rascher als feste Gifte wirken. Der auf 
Grund dieses Verhaltens liegt aber in den vom Aggregatzustande berühr- unc 
ten Molekularverhältnissen der Gifte. Je freier, je ungebundener und agi- sin 
ler die Molekule der Gifte sind, um so besser vermögen dieselben ihre ser 
Kräfte zur Geltung zu bringen, und somit ist nicht zu verwundern, dass häl 
die äusserst freien Atome gasiger Gifte stärker und rascher wirken, als sy 
die mehr cohärenten Atome flüssiger oder gar fester Gifte. 
$. 19. Nach den Cohäsions- und Löslichkeitsverhältnissen variren 2 
die Gifte nicht minder bedeutend. Während viele Gifte äusserst cohärent hör 
und in Wasser unlöslich oder schwer löslich sind, gibt es‘ viele andere, Mo 
welche minder cohärent und leichter löslich sich erweisen. Und diese gib 
Verhältnisse zeigen sich von nicht geringem Einflusse auf die Wirkung Joc 
der Gifte. Geringe Cohäsion und leichte Löslichkeit der Gifte fördert ihre ple 
Wirkung in eben dem Maasse, als starke Cohäsion und schwere Löslich- nn 
keit sie behindert. Und wie der Chemiker durch Pulvern und Auflösen SEN 
das Aufeinanderwirken seiner Chemikalien 'ausserordentlich zu begünstigen sel 
vermag, so kann man die Wirkung der Gifte durch Vernichtung der Co- a 
häsion und durch Auflösung fördern. Gilt doch in der Toxikologie, wie die 
  
 
	        
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