Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
339 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen. 
indem sie von ihrem giftigen Wehrapparate Gebrauch machen, ihre Gift- 
zähne einsetzen und an denselben ein klares, wasserhelles, in chemischer 
Hinsicht ganz unbekanntes Gift abfliessen lassen. Wird dieses Gift aus 
der Wunde in das Blut aufgenommen, so entstehen nicht selten die be- 
deutendsten Zufälle, ja dieselbon können so fatal werden, dass, was frei- 
lich selten passirt, eine leihal endende Inioxikation erwächst. 
ANATOMISCHE CHARAKTERISTIK. 
$. 456. Die Leichen der durch Otterngift umgekommenen Individuen 
hal man unbegreiflicher Weise nur höchst selten der Autopsie unterzogen. 
Somit darf es nicht wundern, wenn die Berichte über die Veränderungen, 
welche die Organe unter dem Einflusse des Giftes erleiden, höchst dürfüg 
und mangelhaft beschaffen sind. Wie man angibt, sollen die Leichen in 
Todessiarre versinken, wobei die Gelenke ausserordentlich steif und un- 
beugsam werden. Der verletzte Körpertheil erscheint gewöhnlich mehr 
oder weniger geschwollen und abnorm gefärbt; zuweilen von Brandblasen 
und jauchigen Geschwüren bedeckt. Die Hirnhäute sind, wie man angibt, 
mit dunklem geronnenem Blute sirolzend erfüllt. Die Hirnhöhlen sollen 
viel Serum enthalten, wie auch die Cerebrospinalflüssigkeit vermehrt sein 
soll. Die Lungen erscheinen, wie man angibt, ungewöhnlich dunkel und 
blutreich. Das Herz ist entweder leer oder mit vielem dunklem Blute er- 
füllt. Der Peritonealsack enthält zuweilen etwas seröses Exudat, das in 
der Beckenhöhle angesammelt ist. Die Organe des Unterleibs scheinen 
nur geringe analomisch fassliche Veränderungen darzuhieten. 
SYMPTOME. 
$- 457. Kurze Zeit nach der Infection der gebissenen Wunde mit 
dem Viperngifte entsteht ein stechend brennender Schmerz, der sich ge- 
wöhnlich sehr rasch centripetal verbreitet und demgemäss an den Extre- 
miläten von der Hand oder dem Fusse zu dem Rumpfe aufsteigt. Bald 
darnach fängt der verletzte und infieirte Körpertheil stark zu schwellen an 
und zwar so, dass die Geschwulst von der Wunde sich centripetal über 
das ganze Glied, oder noch weiler verbreitet. Ist die Geschwulst zur vol- 
len Entwicklung gelangt, so veranlasst dieselbe die bedeutendste Spannung 
und die bedeutendsten Functionsslörungen des affieirten Gliedes, so dass 
der Patient bei lädirtem Beine nur sehr schwer, oder gar nicht fortzukom- 
men vermag. Die Eigenheiten der Geschwulst sind übrigens bei verschie- 
denen Individuen ziemlich verschieden. Anfangs erscheint dieselbe bald 
dunkelroth, bald erysipelatös, bald bleich oder ohne auffallende Färbung; 
späler lässt dieselbe in der Regel eine ganze Reihe abnormer Farben er- 
kennen, da sie aus dem Rothen in das Blasse, aus dem Blassen in das 
Bläuliche, Violette, Graue, Bleifarbene oder in das Marmorirte und Strie- 
mige übergeht. Wie es Scheint, entsprechen diese abnormen Färbungen 
der Geschwulst ganz bestimmten pathologisch-anatomischen Veränderungen, 
welche der subeutane und andere Zellstoff, die Lymphgefässe und zuwei- 
len selbst die Venen der infieirten Körperstelle unter dem Einflusse des 
Giftes erleiden. Wenigstens steht fest, dass man unter bestimmten Fär- 
bungen der Geschwulst, bald die deutlich ausgesprochenen Sympiome 
einer diffusen Entzündung des Zeligewebes (dunkle Röthe, Empfindlich- 
keit beim Zufühlen, brennender Schmerz, gesteigerte Temperatur u. s. w.), 
bald die eines mehr oberflächlichen Erysipels (rosige Röthe, Priekeln und 
Brennen, 5esieigerte Temperatur u. s. w.), bald die einer deklarirten Lym- 
phangoitis (Strangarlige harte Lymphgefässe mit grösser oder geringerer 
Empfindlichkeit und Temperatursteigerung bei hleicher praller Beschaffen- 
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