338 Virchow, Zoonosen.
Versuche von Stannius (Archiv. f. physiol. Heilk. 1851) und G. Sieg-
mund (Archiv für path. Anat. 1853) gezeigt ist, dass die Verlangsamung
der Herzbewegungen, welche bei dem Menschen undden Fleischfressern so
eonstant ist, sich bei Kaninchen und vielleicht bei Pflanzenfressern über-
haupt nicht findet. Es lässt sich bis jetzt nicht übersehen, worin diese
Verschiedenheiten ihren Grund haben; indess ist es sehr wichtig, sie im
Auge zu behalten, da man daraus ersehen kann, dass nicht alle Versuche,
die an Thieren angestellt wurden, für den Menschen entscheidend sind.
Gewiss besteht zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern überhaupt eine grosse
Verschiedenheit der physiologischen Einrichtungen, wie sich das insbesondere
in den Vorgängen des Stoffwechsels erkennen lässt, allein weniger sicher
ist es, inwieweit diese Verschiedenheit für die Wirkungsweise des Ner-
vensystems oder seiner einzelnen Provinzen in Anspruch genommen
werden kann. Jedenfalls kann man nicht umhin, auch die specifische
Natur der einzelnen Contagien wesentlich in Anschlag zu bringen,
da nicht etwa dieselben Galtungen der. Thiere jedesmal denselben
Contagien zugänglich sind, vielmehr jedes Conlagium seinen besonde-
ren Verbreitungsbezirk besitzt. Manche an sich sehr contagiöse Krank-
heiten beschränken sich auf eine Gattung, z. B. die Lungenseuche
(erysipelatöse Pleuropneumonie) und die Rinderpest (typhöse oder diph-
theritische Darmaffeetion) auf das Rindvieh; ja manche an sich sehr
ähnliche Formen besitzen nur in derselben oder in sehr nahestehenden
Gaitungen Ansteckungsfähigkeit. So lassen sich die Schaafpocken auf Zie-
gen, aber sehr schwer auf Kühe übertragen ; Rotz haftet leicht beim Esel
und Maulesel, aber schwer bei Wiederkäuern und anderen Säugern. Auch
die contagiösen Krankheiten des Menschen verbreiten sich schwer auf
Thiere. Masern und Scharlach sind kaum übertragbar, obwohl J. Frank
letztere bei Hunden für möglich hielt*). Pocken des Menschen haften bei
Affen leicht (Viborg), bei andern Thieren schwer oder gar nicht; die
Syphilis kann auf Thiere übertragen werden (Auzias-Turenne), ohne je-
doch gleich wirkungsfähig zu sein. Bei den grossen Epidemien der typhoiden
Krankheiten, bei der Pest, der Cholera, bei denen die Frage der Conta-
giosilät an sich so grosse Schwierigkeiten darbietet, hat man oft genug analoge
Erkrankungen derThiere constatirt, ohne dass es jedoch bis jetzt möglich
war, sei es die Uebereinstimmung dieser Krankheiten mit denen der Men-
schen, sei es die Entstehung derselben aus melteorologischen, territorialen
oder contagiösen Schädlichkeiten zu ermitteln. Im Allgemeinen steht nur
soviel fest, dass der Mensch eine grosse Receptivität gegen
Thiereöntagien, die Thiere eine geringe. gegen mensch-
liche Contagien besitzen.
$. 2. Am besten versinnlicht man sich diese Verschiedenarligkeit
der einzelnen Thiergatiungen gegen die specifischen Contagien durch
die Betrachtung der durch thierische Parasiten vermittelten Krank-
heiten. Zugleich erklärt eine solche Betrachtung den so oft verfolgten Ge-
danken von der belebten Natur aller Contagien , den wir gegenwärlig we-
nigstens nicht in der Art zulassen können, dass wir überall beson-
dere Thiere oder Pflanzen als Träger des Contagiums anerkennen.
So finden sich Epizoen in grosser Zahl bei allen Hausthieren, al-
lein jede Gattung hat auch wieder ihre besondere Species, die wohl über-
tragen werden kann, aber sich nicht dauernd erhalten zu können scheint.
*) Die von den Thierärzten als ursprüngliche Masern und Scharlach der Thiere be-
schriebenen Affectionen sind sehr zweifelhaft,