360 Virchow, Zoonosen.
der Ansicht von der nicht speeifischen Natur der Lyssa. Man kann
diese in drei Gruppen theilen:
1) Man nahm an, dass die Wuth nur symptomatisch
auftrete, dass dagegen die eigentliche Krankheit anderer
Natur sei. So glaubt Rychner wenigstens die stille Wuth als Symp-
tom einer Darmaffection betrachten zu müssen, da gerade bei dieser Form
sehr constante Veränderungen im Darm bestehen ($. 14—15). Prinz sieht
in der Wuth der Hunde eine Form des Milzbrandes und Heusinger (Milz-
brand S.516. vgl. 674 u. 792) schildert eine besondere Form des Milzbran-
des, die er als Milzbrandwuth bezeichnet (vgl. 8.49, 2). Allein niemals hat
man durch eine Impfung des Wuthgiftes, die doch so oft vorgenommen ist,
eine characteristische Form des Milzbrandes entstehen sehen, während es
doch bekanntlich wenige contagiöse Krankheiten gibt, die so leicht über-
tragen werden, wie der Milzbrand. Was die Bedeutung der Darmaffeetion
für die Wuth anbetriffi, so kann gewiss nicht geleugnet werden, dass die
Art und Ausdehnung des Darmleidens für die specielle Symptomatologie
der Wuth von Bedeutung ist, aber kein Beobachter hat bis jetzt die be-
sonderen Eigenschaften derjenigen Darmaffection bezeichnen können, welche
die Wuth hervorbringt. Manche Schriftsteller haben den Werth der
Wuthsymptome dadurch entkräften zu können geglaubt, dass sie von
jedem einzelnen derselben zeigten, dass es nicht speeifisch und nicht con-
stant sei. Es verhält sich damit, wie mit der Symptomatologie des Typhus,
der auch kein specifisches Zeichen besitzt und Verschiedenheiten zeigt
je nach der Natur der jedesmal überwiegend erkrankten Organe. Wie
wir einen Typhus abdominalis und cerebralis aufstellen können, ohne da-
mit zu leugnen, dass in jedem Falle Unterleibs: und Kopforgane leiden,
so kann man auch die rasende und stille Wuth als Lyssa cerebralis und
abdominalis trennen. Es kommt hier nicht auf dieses oder jenes ein-
zelne Zeichen an, sondern darauf, dass jedesmal eine gewisse
Gruppe von Organen und diese in einer gewissen Ordnung
und in analoger Weise befallen wird. Diess trifft für die Lyssa
vollständig zu.
2) Man leugnete die Contagiosität der Lyssa und be-
trachtiete sie als eine besondere Form des Tetanus. Vergeb-
liche Impfungen hat mancher Arzt gemacht *) und es bedarf dazu keiner
neuen Beiträge; gebissene Thiere und Menschen sind oft genug ohne alle
Prophylaxe gesund geblieben. Gegenüber den zahlreichen positiven Ver-
suchen mit Inoculaiion und den unzähligen Erfahrungen über die
Uebertragung der Krankheit durch Biss kann daher nur die Frage gestattet
sein, ob es sich hier um eine Art des Telanus handelt. Diese Frage,
auf welche wir bei der Lyssa des Menschen zurückkommen müssen, ist
bei der Wuthkrankheit der Thiere selten mit grosser Zuversicht aufgestellt
worden; auch dürfte es sehr schwer sein, sie bejahend zu beantworten.
Tetanus scheint beim Hunde äusserst selten vorzukommen. Blaine (p. 94)
sah nur 3 Fälle, darunter einen traumatischen und einen rheumatischen.
Allein die Erscheinungen, welche Hertwig (Krankh. d. Hunde 5.35) genauer
schildert, haben so wenig Aehnlichkeit mit der Lyssa, dass kein Thierarzt
sich die Mühe gibt, eine vergleichende Diagnose beider Krankheiten zu
liefern. Wie viele Hunde sind experimentell mit grösseren oder kleineren
Wunden versehen worden, und doch hat man niemals davon gehört, dass
einer derselben dadurch toll geworden wäre.
”) vgl. die Aufzählung von Berndt in Hufelands Journal 1824. Nov. S. 55,