Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
  
  
  
  
  
374 Virchow, Zoonosen, 
fremden Stimme das grösste Angstgefühl, und sie suchen sich desshalb 
zu verbergen. Die Meisten beweisen eine grosse Vorliebe zur Einsamkeit, 
und ihr Gesicht zeigt eine tiefe Schwermuth an. Viele haben von Anfang 
an eine angsivolle Ahnung des Todes und nicht selten findet sich in Folge 
dessen ein Hang zum Beten. 
2) Veränderungenin denSchlund- und Kehlorganen. Aus- 
ser derschon erwähnten Dysphagie und der Veränderung der Stimme, sowie 
dem übrigens selteneren Heulen und Brüllen während der Krampfanfälle ist hier 
namentlich die vermehrte Absonderung zu erwähnen, welche hauptsäch- 
lich katarrhalisches Secret der Mund- und Rachenschleimhaut, zum Theil 
auch wirkliche Beimischung von Speichel enthält. Diese Absonderung ist 
auf der Höhe der Krankheit meist reichlich, bald flüssiger, bald zäher und 
die Kranken, welche sie nicht herabzuschlucken vermögen, sind daher ge- 
nölhigt, dieselben fortwährend auszuspeien. Viele speien dieselbe weit 
um sich, ohne jedoch gerade Personen ireffen zu wollen; indess ist doch 
gerade diese Erscheinung eine höchst widerliche und Sie hat gewiss nicht 
wenig dazu beigetragen, den Abscheu oder die Furcht vor den Kranken 
zu vermehren. Gröbere, anatomische Veränderungen sind gewöhnlich 
nicht zu entdecken; nur klagen manche Kranke dabei über ein Gefühl 
von Brennen und Hitze im Halse. 
3) Motorische Störungen. Diese sind beim Menschen von einer 
ungleich grösseren Hefligkeit, als bei den Thieren. Wie schon erwähnt, 
zeigen sich die fürchterlichsten Krampfanfälle, bei denen die grösste Mus- 
kelkraft aufgewendet wird. Manchmal gleichen diese den Anfällen des ge- 
wöhnlichen Teianus so sehr, dass eine Reihe von Beobachtern die ganze 
Krankheit für einen Tetanus genommen hat (Tetanos rabien Girard). 
Allein schon frühere Forscher haben die Eigenthümlichkeit dieser haupt- 
sächlich auf das Respiralionssystem gerichteten Krämpfe erkannt, und es 
lässt sich nicht verkennen, dass wie bei dem Trismus ein masticatorischer, 
so bei der Lyssa wesentlich ein respiratorischer Kram pf zugegen 
ist, mit dem sich bei grosser Hyperäsihesie schliesslich die ausgedehnte- 
sten telanischen Erscheinungen, Opisthotonus, Emprosthotonus verbinden 
können. Es scheinen namentlich die Nervengebiete des Vagus, 
Phrenicus und Accessorius zu leiden. 
Von Anfang an empfinden die Kranken einen eigenthümlichen, bald 
mehr dumpfen, bald mehr brennenden Schmerz in der Herzgrube, unter 
dem Schwertfortsatz, der sich später während der Anfälle steigert, so 
dass die Kranken oft mit der Hand dahin greifen und ihn durch Druck 
zu lindern suchen. Der Schmerz erstreckt sich von da in der Richtung 
der geraden Bauchmuskeln fort, zuweilen verbunden mit einem kitzelnden 
Jucken in der Harnröhre, oder strahlt auch nach oben hin aus. Die epi- 
gastrische Gegend wird hervorgetrieben und nicht selten ist eine gewisse 
Reizbarkeit des Magens, namentlich Neigung zum Erbrechen zugegen. Von 
dieser Gegend gehen scheinbar auch gewöhnlich die Krampfanfälle aus 
und die meisten Kranken beziehen die Schmerzen, welche sie beim Trin- 
ken empfinden, nicht auf den Schlund, sondern auf die Magengegend. 
Schon Vaughan schloss daraus, dass das Zwerchfell allemal in einen 
hefligen Krampf geralhe, so oft der Schlund durch etwas gereizt würde, 
und er nahm eine ähnliche Sympathie an den Bauchmuskeln an, weil 
der Harn zu gleicher Zeit jedesmal mit grosser Gewalt herausgeirieben 
wurde. 
Die Störung der Respirationsbewegungen äussert sich zunächst durch 
ein ungewöhnlich tiefes, später seufzendes und unterbrochenes Athem- 
holen, dem ähnlich, wenn man die Füsse oder den sanzen Körper in
	        
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