350 Virchow, Zoonosen.
phobie mit dem Tetanus ist seit Rush, Darwin, Gorry, Perecival,
Rust häufig genug besprochen und Manche, wie Girard und Textor
sen. haben sogar die Hydrophobie geradezu für einen Tetanus angespro-
chen. In der That ist diese Frage eine der complieirteren, obwohl sie
lange nicht die praktische Bedeutung hat, welche man ihr beigelegt hat.
Obwohl der wahre toxische Tetanus in der Art der Nervenstörung mit
dem traumalischen und rheumatischen die grösste Aehnlichkeit hat, so ist
er doch genetisch und therapeutisch davon sehr wesentlich verschieden,
und wenn man wirklich zugestände, dass die Hydrophobie einfach ein
Tetanus sei, so würde damit nur eine neue, genetisch und prognoslisch
wiederum eigenthümliche Form, ein Tetanus lyssodes oder wie Girard
sagt, ein rabischer Tetanus gewonnen. So lange man die Thatsache,
dass der Speichel des hydrophobischen Menschen beim Hunde wieder
die Lyssa hervorbringt, nicht anders interpretiren kann. als es bis jetzt
möglich ist, so lange wird man die speeifische Natur der Krankheit zuge-
stehen müssen und die Erfahrung, dass einfache Verletzungen neben dem
gewöhnlichen Tetanus auch Hydrophobie erzeugen, wird nicht eher be-
weisen, dass die lyssische Hydrophobie gleichfalls durch die Verletzung
als solche hervorbracht wird, als bis man mit dem Speichel von Menschen
mit traumatischem Tetanus die Lyssa beim Hunde erregt hat. Sicherlich
hat man oft genug Tetanus für Hydrophobie genommen, und die vor-
sichtigen Beobachter haben daher immer davor gewarnt, jene Fälle von
Wuthkrankheit anzuerkennen, wo der Zeitpunkt der Erkrankung der Ver-
letzung sehr nahe lag ($. 28). Beim Tetanus fällt die grösste Zahl der
Erkrankungen (112 unter 208 Fällen) auf die Zeit zwischen dem 3. u. 10.
Tage (Romberg), bei der Lyssa auf die 4.—7. Woche. Freilich erschei-
nen diese Zahlen untergeordnet, wenn man die oft so grosse Aehnlichkeit
beider Affectionen berücksichtigt *), allein in der grossen Mehrzahl der
Fälle erlangen gerade die lyssischen Krämpfe nicht den Charakter der
tonischen, sondern gleichen so sehr den klonischen, dass manche Schrift-
steller es für nothwendig gehalien haben, ihre Verschiedenheit von der
Epilepsie zu zeigen. Trismus wird fast nie beobachtet, tetanische Streckung
des Rumpfes und der Extremitäten kommt meist nur auf der Höhe der
Anfälle vor, und die anhaltende Spannung bestimmter Muskeln fehlt der
Lyssa ganz, man müsste denn das Diaphragma in einer solchen anneh-
men, was nicht ganz thunlich erscheint. Die Aehnlichkeit des Tetanus
und der Lyssa besteht daher meines Erachtens mehr in der, beiden ge-
meinschaftlichen Hyperästhesie, als in dem Orte dieser Hyperästhesie oder
in der Form der peripherischen Leistung.
4) Die symptomatische Hydrophobie kommt vor sowohl bei
mehr localen Erkrankungen des Halses, Schlundes und Kehlkopfes, als
auch bei einer Reihe von Gehirnaffectionen, beidemal als eine höhere
Stufe der Dysphagie. So sah ich sie in milderen Formen sowohl bei
Arachnitis, als bei Typhus, namentlich in der oberschlesischen Epidemie
(Archiv f. path. Anat. Bd.1I. S.185). Allein andere Beobachter haben sie
bei malignen Fiebern zuweilen in der grössten Intensität beobachtet. So
*) Ein Mann beklagte sich 4 Tage nach “einem Beinbruche über Verschliessung der
Kinnbacken, Zusammenziehung der Brust und Erschwerung des Athemholens. Die
Muskeln des Halses und des Unterleibes wurden gespannt, Er konnte nichts mehr
hinunterschlucken, ja er äusserte gegen alles Getränk einen Widerwillen, welchen
man leicht für eine von freien Stücken entstandene Wasserscheu hätte halten
können. Binnen 28—30 Stunden erfolgte der Tod, (Sabatier in den M&m. de
Yinstit, Vol, L p.179. Samml. auserles. Abh. Bd. XIX, 8. 70).