386 Virchow, Zoonosen.
Die falsche Auffassung der Wasserscheu hat schon die Alten zu dem
verkehrten und oft sehr grausamen Vorschlage geführt, die Kranken un-
versehens ins Wasser zu 'stürzen. Celsus erklärt diess für das einzige
Heilmittel, und so finden wir auch den berüchtigten Wunderthäter Apol-
lonius von Tyana damit beschäftigt, die Heilung eines Hydrophobischen
durch ein Flussbad zu Stande zu bringen *). Später ist dieses Mittel durch
van Helmont in den Niederlanden sehr in Aufnahme gekommen und.so-
wohl als prophylaklisches, wie als kuratives viel gerühmt. Im Ganzen hat
es sich nicht bewährt und in der Mehrzahl der Fälle ist es sogar ein
geradezu verwerfliches Verfahren, dem gegenüber der Vorschlag von
Buisson, durch Dampfbäder und starke Diaphorese die Heilung zu be-
werkstelligen, immer noch vorzuziehen sein möchte.
$. 42. Nach dieser langen- Aufzählung, wo überall die Empfehlung
und der Zweifel sich gegenüber stehen, ist es freilich kaum möglich, mit
Ueberzeugung den Weg anzugeben, den der behandelnde Arzt einschlagen
soll. Die wesentliche Heilaufgabe ist offenbar die Beseitigung der
Hyperästhesie des verlängerten Markes, welche wesentlich un-
terhalten wird, wie es scheint, durch die, vielleicht von der Bissstelle aus
sich erneuernde Veränderung des Blutes. Daraus scheinen sich folgende
Indieationen zu ergeben:
1) Mögliche Beseitigung jeder psychisch oder physisch aufregenden
Einwirkung. Demnach ist die äusserste Ruhe, Entfernung jedes störenden
Geräusches, jeder unangenehmen Person, jeder grösseren Zurüstungen,
die Beseitigung jeder die Angst des Kranken steigernden Veranlassung,
freundlicher, vertrauensvoller Zuspruch des Arztes, Vermeidung der Zwangs-
mitlel, so lange es irgend geht, nothwendig. Gleichmässige Temperatur,
Abhaltung von Zugluft, Vermeidung unnöthiger Trinkversuche.
2) Locale Behandlung der Wunde durch Reiz- oder Aetzmittel, Er-
öffnung der Narbe und Anlegung einer neuen Secretionsstelle, wobei sich
Blasenpflaster über die Stelle mehrfach nützlich erwiesen haben.
3) Alteration des Blutes, wozu sich einerseits die Mereurialien, in-
nerlich und äusserlich, andererseits die Secretionsbefördernden Acria be-
sonders empfehlen. Unter Leizieren scheinen die auf Schweiss und Harn
wirkenden Mittel die nützlichsten, und hier dürften die Canthariden, der
Buxus und Taxus, die Genislta u. s. w. ihre Stelle finden.
4) Beseitigung der Hyperästhesie des verlängerten Markes. In der letz-
ten Zeit hat man dagegen die Anästhelika, zumal das Chloroform ver-
sucht, und obwohl dasselbe nicht immer ertragen zu werden schernt
(Denton), so sind doch andere Erfolge günstig genug gewesen (Jack-
son, G. Smith), um zu weiteren Versuchen aufzufordern. Mindestens darf
man hoffen, dadurch zuweilen eineLinderung der schrecklichen Zufälle zu
erlangen. Im Uebrigen ist es gewiss indieirt, auf die schon mehrfach
bewährten Narcolica zurückzukommen und die Belladonna möchte hier eine
besondere Aufmerksamkeit verdienen. Von Opium ist, wie es scheint,
am wenigsten zu erwarten; Moschus hat noch eher günstig gewirkt. Di-
gitalis scheint noch am wenigsten versucht zu sein.
5) Revulsion, besonders während gefahrdrohender Paroxysmen. Hier
wäre gewiss auf grosse Venäsectionen zurückzukommen, von denen man
einigemal so eclatante Erfolge gesehen hat; nur dürfie man diesen nie
*) Flavii Philostrati vit. Apollonii Tyan, VI. 43, @eguexorocie Aörrns Udwg, nV
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