Full text: Intoxicationen, Zoonosen und Syphilis (2. Band, 1. Abtheilung)

  
  
  
%6 Falck, die klinisch wichtigen Intoxikationen, 
begriffene, und dass verschiedene Dosen von Gift erforderlich sind, wenn 
bei verschieden gealterten Subjecten gleiche Wirkungen erzielt werden 
sollen. 
$. 49. Nächst dem Lebensalter ist es das Geschlecht, welches 
auf die Wirkungen der Gifte von Einfluss ist. So lässt sich leicht nach- 
weisen, dass eine bestimmte Dose eines Giftes, wie z. B. von Krotonöl, 
Jalappe, Brechweinstein oder Ipecacuanha bei Männern und Frauen von 
gleichem Alter verschiedene Wirkungen äussert und zwar in der Weise, 
dass die Weiber stärker affieirt werden, als die Männer. Man begreift die- 
ses, wenn man den Entwickelungstypus des Weibes mit dem des Mannes 
vergleicht, wobei sich herausstellt, dass das Weib sparsamer mit Körper- 
masse und Kraft ausgerüstet ist. Aber auch noch andere Verhältnisse 
modifieiren die Wirkungen der Gifte bei Männern und Frauen. In der 
Periode, wo die Differenz des Geschlechtscharacters am stärksten hervor- 
tritt, wo bei dem Weibe Menstruation, Schwangerschaft, Puerperium, Lac- 
tation bis zu den klimakterischen Jahren vorkommen, und wo bei dem 
Manne Erection, Samenbildung und anderes sich zeigen, müssen begreiflich 
den eigenthümlichen Verhältnissen der Männer und Weiber entsprechende 
Wirkungen der Gifte sich herausstellen. Und in der That bemerkt man, 
dass gewisse Gifte ebenso auf die Menstruation, die Schwangerschaft, auf 
den Verlauf des Wochenbettes und auf die Lactation, wie auf das Erec- 
tionsvermögen sich wirksam erweisen. Man begreift dieses Verhalten der 
Gifte, wenn man sich erinnert, dass die den Männern und Weibern eigen- 
thümlichen Organe und Funktionen vor der Einwirkung der Gifte nieht 
sicher gestellt sind. 
$. 50. Als Bedingung der Wirkung der Gifte kommt ferner die 
Constitulion des Körpers in Betracht. Man überzeugt sich davon, 
wenn man die Wirkungen der Brechmittel und anderer Gifte bei Leuten 
mit starker, mittlerer und schwacher Constitution verfolgt. Als Grund die- 
ses Verhaltens ist jedenfalls der Umstand zu erwägen, dass die Constitu- 
tion des Körpers bis zu einem gewissen Grade als ein Aequivalent von 
Alter zu betrachten ist. In der That bemerkt man, dass jüngere Menschen 
mit kräftiger Constitution gewöhnlich den älteren Menschen mit mittlerer 
Constitution entsprechen. Sind doch überhaupt die eigenthümlichen Zu- 
stände des Körpers, welche als starke und schwache Constitutionen be- 
zeichnet werden, nur als die Abweichung von dem Entwickelungstypus 
des (von Quetelet stalistisch erfassten) mittleren Menschen zu betrach- 
ten. Nach’ dem, was wir bei dem Lebensalter bemerkt haben, darf es 
nicht wundern, wenn die ihnen äquivalenten Constitutlionen einen gleichen 
bedingenden Einfluss auf die Wirkungen der Gifte verrathen. 
$. 5l. Auch durch die Temperamente sind die Wirkungen der 
Gifte bedingt. So sieht man, dass bestimmte Dosen von Alkohol, Aether, 
Campher, Opium, bei sanguinischen und cholerischen Individuen anders 
wirken, als bei phlegmatischen, oder melancholischen. Der Grund dieser 
Verhältnisse liegt zweifelsohne in den verschiedenen Eigenheiten der Or- 
gane, Gewebe und Säfte der mit verschiedenen Temperamenten versehe- 
nen Individuen, die freilich zur Zeit noch der Aufklärung bedürfen. 
$. 52. DerErnährungszustand des Körpers, der aufkeinen 
Fall mit der Constitution verwechselt werden darf, ist auf die Wirkungen 
der Gifte von bedeutendem Einflusse. Lässt sich doch leicht nachweisen, 
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